Andacht 28.01.2024

28. Januar 2024 | Andachten

 


Predigt vom 28.01.2024

Predigt zu 2Kor 4,6-12; Letzter Sonntag nach Epiphanias, 28.01.2024

Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus

Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

(1) der Predigttext für heute steht im 2. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in

Korinth, im 4. Kapitel. Ich lese die Verse 6 bis 12:

6Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat

einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur

Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

7Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die

überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. 8Wir sind von allen Seiten

bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.

9Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden

unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 10Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an

unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

11Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen,

auf dass auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. 12So

ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch.

(2) Wenn man diese schön klingenden Verse hört, machen sich schnell zwei

Meinungen breit. Schaut man sich dann aber das Drumherum der Verse näher an,

merkt man, dass es zwei Missverständnisse sind.

Das erste Missverständnis: Paulus war ein filmreifer Superheld, der sogar die

bedrohlichsten Situationen ungebrochen überlebte.

Das zweite Missverständnis: Mit dem „wir“ im Text sind wir alle, also alle Christen,

gemeint.

Schauen wir bei beiden Missverständnissen einmal genauer hin, die beide

miteinander zusammenhängen. Dazu muss ich etwas weiter ausholen.

Paulus, der rastlose Apostel Jesu Christi, der die gute Botschaft als Erster bis nach

Europa brachte, dessen Briefe fast 2.000 Jahre in aller Länge und Ausführlichkeit

überliefert worden – so ist uns Paulus geläufig. Wie ein Superheld.

„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.“ Der kann sogar

während eines Sturms auf hoher See, mitten in Lebensgefahr, als quasi der Mast

schon zersplittert und die Segel nur noch als Fetzen im Sturm flattern, die Mannschaft2

bekehren. Und als er dann ins Meer gespült wird, mobilisiert er alle Kraftreserven, um

sich an einer Planke festzuklammern. Und egal, wie oft die hohen Wellen über ihn

hinwegrollen – immer wieder kämpft er sich zurück an die Wasseroberfläche.

Filmreif, fehlt nur noch, dass Haar und Sakko noch akkurat sitzen, als er an den Strand

gespült wird.

Doch so eine makellose Sahneschnitte war er nicht. Ob er nun auch filmreif aussah

oder nicht, sei mal dahingestellt (wenn man den Hinweisen trauen darf, dann wohl

eher nicht). Doch sein bisheriges Leben empfahl ihn nicht gerade der Gemeinde in

Korinth. Er entsprach nicht den Erwartungen, die die Christen in Korinth an einen

großen Evangelisten ihrer Zeit hatten.

Zum Einen war er vor seiner Bekehrung nicht einfach nur dem Christentum

gegenüber gleichgültig gewesen. Nein, er war ein glühender Verfolger der Christen –

bevor er Jesus Christus selbst begegnete und seine Leidenschaft einen anderen Weg

nahm. Gerade am vergangenen Freitag gedachte die Kirche dieser sprichwörtlichen

Wandlung des Saulus zum Paulus. Schon diese merkwürdige 180-Grad-Wendung

machte manch einen skeptisch. Wie ernst durfte man ihn nehmen? Meinte er es

ehrlich? Oder kam er mit Hintergedanken nach Korinth?

Und zum Anderen war er niemand, der mit einem gesunden, ansehnlichen Körper

punkten konnte. Denn er litt an einer chronischen Krankheit.

All das war nicht gerade ein Empfehlungsschreiben, um bei den Korinthern

warmherzig aufgenommen zu werden. Ein filmreifer Superheld war Paulus nicht.

In der Gemeinde in Korinth wurde er deshalb verunglimpft und klein geredet.

Dagegen setzte sich Paulus zur Wehr. In seinem Brief verteidigte er sich und seinen

Dienst. So kommen wir zu dem vorhin angesprochenen zweiten Missverständnis,

Paulus würde hier mit „wir“ alle Christen meinen.

Nein, in erster Linie meint er sich als Apostel und seine Kollegen. Sie, die Apostel,

tragen das Licht des Glaubens wie einen Schatz in irdenen Gefäßen und verkündigen

ihn, trotz aller Widrigkeiten und lebensgefährlichen Umständen. Darüber schreibt er

in dem heutigen Predigttext.

(3) An dieser Stelle können wir nun in zwei Richtungen weiterdenken.

Einmal könnten wir wie die Korinther darüber nachdenken, wie Sie, liebe Gemeinde,

sich eigentlich einen Pastor vorstellen. Entsprechen Ihre Pastoren den Erwartungen,

die Sie an diesen Berufsstand haben?

Dazu könnte ich Ihnen noch erzählen, wie schwer der Pastorenberuf ist, welche

„Bedrängnis und Verzweiflung“ uns anficht, welche Bangigkeit uns manchmal beim

Predigtschreiben überfällt und dass der Pastor beileibe nicht nur am Sonntag

Vormittag arbeitet – aber das wissen Sie ja alles schon längst.3

Viel interessanter ist die zweite Richtung, in der wir weiterdenken.

Paulus kreist hier ja schon sehr um sein Apostelamt und wie er sich gegen die

Vorwürfe aus der Korinther Gemeinde zur Wehr setzt.

Bei all dem habe ich mich gefragt: Wo kommt in diesem Text unsere Gemeinde im

Hier und Jetzt vor? Antwort: ganz am Ende. Da, wo Paulus schreibt: „So ist nun der

Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch.“ (2Kor 4,12) Hier spricht Paulus das

einzige Mal die Adressaten an.

Paulus stellt hier Leben und Tod ganz dicht nebeneinander. Trotz widriger Umstände,

trotz Verfolgung und trotz Lebensgefahr verkündet Paulus das Evangelium – und trägt

so das Seine dazu bei, dass seine Hörer und Leser an Jesus Christus glauben und so

das ewige Leben haben. „Das Leben ist mächtig in euch.“ (2Kor 4,12)

Für Paulus gehören diese Dinge untrennbar zusammen: Tod und Leben, das

angefochtene und bedrohte Dasein der Apostel und die rettende Kraft der

Verkündigung, das wenig werbewirksame Auftreten der Boten Gottes und die

Herrlichkeit Gottes.

Das Leben in uns Christen ist mächtig und kraftvoll, weil es sich in Jesus Christus

gründet, weil es ein Geschenk von ihm ist. Es ist wie ein Schatz. Das Besondere daran

ist, dass wir ihn nicht verbergen und vergraben müssen, damit er nicht geklaut wird.

Sondern diesen Glauben verschenkt Gott im Übermaß, wenn wir ihn darum bitten.

Und er schenkt ihn immer wieder.

Allerdings kann man auch diesen Schatz verlieren. Paulus spricht von irdenen

Gefäßen, in denen wir diesen göttlichen Schatz des Glaubens haben. Ein Gefäß aus

Ton ist leicht zerbrechlich. Oder es kann einen Riß bekommen, durch den Wasser

heraussickert. So wie eine unserer Regentonnen im Garten. Da tropft immer Wasser

am angeschraubten Wasserhahn heraus.

Auch unser Leben und unser Glauben sind zerbrechlich. So gibt es Dinge in unserem

Leben, die uns ratlos und ohnmächtig zurücklassen. Durch die langsam und

manchmal unbemerkt unser Glaube entrinnt. Doch Gott kennt uns, er weiß, wie fragil

wir sind, auch in unserem Glauben. Und trotzdem vertraut er uns diesen Schatz des

Glaubens an.

Denn mit dem, was wir aus dem Glauben heraus tun, wirkt Gott durch uns. Gott gibt

Glauben und Kraft, um verzeihen zu können. Um in Krankheit und Tod an Jesus

festzuhalten. Um mit den richtigen Worten zu trösten. Um einen schwierigen, aber

nötigen Besuch auszuhalten. Um sich als Christ zu bekennen, ohne zu wissen, wie der

andere reagieren wird. Und um eine ordentliche Predigt auf die Kanzel zu bringen,

zumindest hin und wieder.

All das meint Paulus, wenn er schreibt: „Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen,

auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“ (2Kor 4,7)4

(4) Liebe Gemeinde, haben Sie es gemerkt?

Jetzt habe ich doch Paulus und sein „Wir“ zitiert und gesagt, es gilt uns allen. Der

Grund dafür ist Jesus Christus. Er ist das Leben. Wir glauben, dass seine Kraft und

sein Leben in unserem kleinen, irdischen Leben wirken. Und das ist unabhängig

davon, ob wir als Christen nun ein Apostel- oder Pastorenamt ausüben oder nicht.

Ein solches Leben ist nicht das Leben eines Superhelden, der aus den Tiefen seiner

Muskeln noch das letzte Fünkchen Überlebenswillen herauspresst. Solche Helden

sind wir nicht, zumindest ich bin es nicht. Ganz im Gegenteil: Ich kann keine

Klimmzüge, und ein kleiner Grippevirus haut mich auf die Planken.

Und nun sage ich bewusst nicht „trotzdem“, sondern: „gerade deshalb“ schenkt uns

Gott den Schatz seines Glaubens. Darüber hinaus gibt er uns auch die Kraft, diesen

Glauben nach außen zu leben und selbst zu seinen Boten zu werden. Denn es geht

nicht um uns. Sondern darum, was Gott alles tun kann, durch unsere Schwachheit

hindurch. Dann ist Raum da, dass er wirken kann.

Und so bin ich ganz froh, den Schatz seines Glaubens in meinem Leben immer wieder

zu entdecken. Oder wie Paulus es sagt: „7Wir haben aber diesen Schatz in irdenen

Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“ (2Kor

4,7)

Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen

und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

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