Andacht 27.08.2023

28. August 2023 | Andachten

Predigt vom 27.08.2023

 

Predigtlied: Ich singe dir mit Herz und Mund

„Gold und Silber – oder vielleicht doch was anderes?“

Predigt zu Apg 3,1-10, Jubelkonfirmation St. Petri, Altentreptow, 27.08.2023 Pn. Isabell Giebel

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

(1) Vor kurzem wurde uns ein Roller geklaut. Für die Polizei mussten wir dann einige Papiere ausfüllen. Unter anderem wurde auch nach dem Wert des Rollers gefragt. In solchen Fällen wird buchhalterisch ganz einfach eine Abschreibung über 36 Monate hinweg angesetzt. Am Ende der Rechnung hat man dann den aktuellen Geldwert eines Gegenstandes. Bei unserem Roller eine eindeutige Sache.

Bei anderen Dingen wird das schon schwieriger. Ich denke da an den Schreibtisch in unserem Büro. Wir haben ihn von Michaels, mittlerweile verstorbenen, Onkel geerbt. Er war auch Pastor. Zu Beginn seines Dienstes hatte er richtig investiert: Er kaufte diesen massiven Schreibtisch mit dem dazugehörigen Bücherregal. Nach gefühlten 50 Jahren Nutzungsdauer ist er natürlich buchhalterisch abgeschrieben. Aber von ihm könnten wir vieles behaupten, aber nicht, dass er keinen Wert mehr hat.

(2) Dass es nicht immer so einfach ist, einen Wert in Eurozeichen bzw. in Gold und Silber auszudrücken, sehen wir auch im heutigen Predigttext. Ich lese aus der Apostelgeschichte, aus Kapitel 3, die ersten zehn Verse:

1Eines Nachmittags, in der Stunde des öffentlichen Gebets, stiegen Petrus und Johannes zum Tempel hinauf. 2Da wurde gerade ein Mann herbeigetragen, der von Geburt an gelähmt war. Man setzte ihn täglich an die sogenannte Schöne Pforte, damit er von den Leuten, die in den Tempel gingen, Almosen erbitten konnte.

3Als er Petrus und Johannes ins Tempeltor eintreten sah, bat er sie gleich um eine Gabe. 4Die beiden blickten ihn scharf an, und Petrus sagte: „Sieh uns an!“ 5Der tat es in der Erwartung, etwas von ihnen zu bekommen. 6Doch Petrus sagte: „Silber und Gold habe ich nicht. Aber was ich habe, werde ich dir geben: Im Namen von Jesus aus Nazaret, dem Messias: Steh auf und geh!“ 7Dabei fasste er seine rechte Hand und half ihm auf. Sofort wurden die Füße und Gelenke des Mannes kräftig. 8Er sprang auf, konnte selbstständig stehen und ging einige Schritte. Mit Petrus und Johannes ging er dann in den Tempelhof, lief herum, sprang in die Luft und lobte Gott. 9Die ganze Menschenmenge dort sah ihn herumlaufen und Gott loben.

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10Als die Leute in ihm den Bettler erkannten, der sonst immer an der Schönen Pforte gesessen hatte, waren sie fassungslos vor Staunen und wunderten sich über das, was mit ihm geschehen war.
(Apg 3,1-10, Neue evangelistische Übersetzung)

(3) Für den Gelähmten beginnt dieser Tag wie jeder andere. Alltag eben, auf zur täglichen Arbeit. Die sieht bei ihm so aus, dass er an der Tempelpforte sitzt und bettelt. Mit seinen kaputten Beinen bleibt ihm nichts anderes übrig, um an Geld zu kommen. Damit verdient er sich seinen Unterhalt. Auf dem Boden zu sitzen, wo alle Vorübergehenden wortwörtlich auf ihn herabsehen, ist ihm vertraut. Auch er nimmt nicht mehr die Mitmenschen wahr, die vorbeieilen, sondern nur noch Beine mit Füßen dran. Was erwartet er noch vom Leben? Genug Taler, um sagen zu können, sein Leben heute war nicht sinnlos?

Doch das, was heute noch geschehen wird, erwartet er bestimmt nicht.

Es fängt damit an, dass da vier Füße nicht weiterlaufen wie die anderen, sondern anhalten. Und sich sogar zu ihm wenden. Statt des Plings der Münzen in seinem Bettlerhut hört er eine Stimme. Worte werden an ihn gerichtet, die Füße bekommen zwei ganze Menschen, mit Gesichtern und Persönlichkeit.

Seine Erwartung ist groß. Wenn die schon stehenbleiben, um ihm etwas zu geben, dann muss es ja viel sein. Doch die Worte des Einen klingen ganz anders:

„Silber und Gold habe ich nicht. Aber was ich habe, werde ich dir geben: Im Namen von Jesus aus Nazaret, dem Messias: Steh auf und geh!“ (Apg 3,6)

Kein Gold und Silber? Ist das nun gut oder schlecht?
Doch diese Worte befreien in ihm eine Sehnsucht, von der er schon gar nicht mehr wusste, dass sie in ihm schlummert: die Sehnsucht nach Heilung, um auf eigenen Füßen zu stehen. Denn das ist ja sein eigentliches Problem im Leben, und nicht die Frage, wie er genügend Geld erbetteln kann.

Und dann geschieht das, was er in seinen kühnsten Träumen schon nicht mal mehr träumte: Kraft strömt in seine Beine und Füße. Mit Hilfe des Fremden wird er in die Höhe gezogen.
Mit einem Mal ist sein komplettes Leben verändert. Neue Perspektiven eröffnen sich ihm – und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Er ist komplett aus dem Häuschen und springt vor Freude wie ein kleines Kind. Mit den beiden Fremden geht er in den Tempel, besser gesagt: er rennt und hüpft. Er muss ja ausprobieren, was seine Beine alles können. Und vor allem lobt er aus voller Kehle Gott, dankt ihm und preist ihn. Und alle kriegen es mit.

(4) Das, was mich an dieser Geschichte fasziniert, sind die verschiedenen Erwartungen. Der Gelähmte hat am Morgen, als er an der Tempelpforte abgesetzt

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wird, ganz bestimmte Erwartungen. Doch die werden einerseits enttäuscht und andererseits gesprengt, man könnte auch sagen „übererfüllt“.

(4a) Sie, liebe Jubelkonfirmanden, hätten vermutlich den Gelähmten warnen können. Ja, Sie haben viel gearbeitet und geleistet in Ihrem Leben. Sie haben sich etwas aufgebaut, mit Ihren eigenen Händen. Und manches dabei wird Ihnen schlaflose Nächte bereitet haben. Doch ich vermute, dass Sie mit den Jahren ausreichend Lebenserfahrung gesammelt haben, um zu wissen: Gold und Silber allein ist nicht alles, das macht auf Dauer nicht glücklich.

Meine Mama hat kommende Woche Geburtstag. Wenn ich Ihnen sage, dass ich vierzig bin, können Sie sich ausrechnen, wie alt sie wohl wird. Und jedes Jahr fragt man sich: was können wir ihr schenken? Irgendwie hat sie doch alles. Also, ein nützliches Geschenk wird es schon mal nicht, soviel kann ich verraten.

Oftmals sind es die immateriellen Dinge, die unser Leben reich machen: Man ist froh, wenn man jeden Morgen aufstehen kann und der steife Rücken im Laufe des Tages wieder beweglich wird. Wenn Ehepaare gemeinsam alt werden können und sich nach Jahrzehnten noch lieb haben. Das Glück, die Enkel oder gar Urenkel aufwachsen zu sehen und stolz auf sie sein zu können.

Die Zeit hier auf Erden, die Gott uns schenkt, ist begrenzt. Und darum wohl um so kostbarer, vor allem, wenn man sie mit lieben Menschen verleben kann.
Diese Liste könnte jeder von Ihnen, liebe Gemeinde, für sich selbst gedanklich fortsetzen: Dinge, die Ihr Leben reicher machen.

Liebe Jubilare, Sie sind heute in die Kirche gekommen, um sich an Ihre Konfirmation vor so vielen Jahrzehnten zu erinnern. Daneben aber auch, um Gottes Segen für den weiteren Lebensweg zu erbitten. Um Gott um die Dinge zu bitten, die das Leben reicher machen, wir aber nicht selbst leisten können. Vielleicht erwarten Sie auch das von Gott: noch ein paar erfüllte Jahre auf seiner schönen Erde, dass er Sie behütet und bewahrt.
Gold und Silber stehen vermutlich nicht gleich an erster Stelle auf Ihrer Wunschliste.

(4b) Zum anderen sprengt Gott jegliche Erwartung des Bettlers, indem er ihn heilt. Er gibt ihm mehr, als er erwartet. Und Gott gibt ihm etwas anderes, als er erwartet.

Erinnern Sie sich noch, was der Gelähmte macht, nachdem er endlich auf seinen eigenen Füßen steht? Er dankt nicht den beiden Fremden, sondern Gott. Er lobt Gott mit Hüpfen und mit Luftsprüngen und mit seinen Worten. Gottes Macht hat sein Leben komplett verändert. Seine Hoffnungen, seine Vorstellungen von einem noch möglichen „guten Leben“ hat Gott gesprengt. Und der Geheilte lobt Gott dafür von ganzem Herzen und mit voller Kehle und mit seinem ganzen Körper. Seine Verbindung zu Gott und Gottes Wirken in seinem Leben hat sein Leben

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überreich gemacht. Da hätte er noch so viel Gold und Silber erbetteln können, es hätte sein Leben nicht so reich gemacht.

Angesichts dieser echten, kindlichen Freude des Geheilten denke ich mir: Gottes gute Werke und unser Dank und Lob gehören zusammen. Nicht, weil Gott ruhmsüchtig ist und das für sein Ego braucht. Sondern weil seine Taten unser Herz berühren und die Dankbarkeit ganz automatisch in unserer Seele wächst. Weil Gott uns so viel mehr gibt.

Selbstverständlich weiß ich, dass man nicht nur gute Erfahrungen in seinem Leben sammelt. Wir erleben Dinge, für die uns bei aller Liebe zu Gott kein Danke über die Lippen kommt.
Und natürlich freue ich mich auch, wenn genügend Gold und Silber in der Haushaltskasse ist und ich mir nicht überlegen muss, ob ich mir dies oder jenes leisten kann. Doch bei manchem ist das Geld wirklich knapp und er bräuchte eigentlich mehr, als er zur Verfügung hat.

Diesen Blick auf die Dinge kennen Sie sicher auch.
Es gibt eben Zeiten im Leben, da gibt es scheinbar keinen Grund, Gott zu danken und zu loben, höchstens aus reinem Pflichtgefühl.

Mir hilft es dann, mir vorzustellen, wie ich mit absolut leeren Händen, mit Nichts, vor Gott stehe. Denn von uns aus haben wir Gott gegenüber keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen oder anhaltendes Glück.
Und dann entdecke ich, was Gott alles an Gutem in meine leeren Hände gelegt hat und immer noch legt. Denn ich bin überzeugt: Gott beschenkt uns mit Dingen, die wir nicht erwarten, die vielleicht noch nicht einmal nötig wären, damit wir überleben. Und so gesellt sich dann mein Staunen und meine Dankbarkeit ganz automatisch und selbstverständlich dazu. Gottes gute Gaben in meinem Leben und mein Lob gehören dann einfach zusammen.

Denn nicht Berge von Gold und Silber sind das Ziel unseres Lebens. Aber Gott in unserem Leben am Werk zu sehen und ihn dafür zu loben, macht das Leben reich und führt uns zum Ziel.

(5) Der gute Mann, der jetzt wieder laufen kann, lobt Gott auf eine Art und Weise, die man absolut nicht übersehen kann. Sein ausdrucksstarkes Dankeschön an Gott zieht weite Kreise. Die, die es mitkriegen, werden nun ihrerseits berührt von dem, was Gott Wunderbares an ihm getan hat.

Und am Ende dieses Tages wird es ihm egal sein, wieviel Münzen er in seinem Bettlerhut zusammenkratzen kann. Denn er hat soviel mehr, als er mit Gold und Silber aufwiegen könnte. Gott sei Dank!

Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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