Andacht 26.11.2023

27. November 2023 | Andachten

Predigt vom 26.11.2023

 

Lied: Schenk uns Zeit

Ps 39,5-6 / Ps 31,16

Predigt Ewigkeitssonntag 26.11.2023

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

haben Sie sich schon einmal gefragt, wie lange Sie noch leben werden? Wieviel Zeit noch auf Ihrer Lebensuhr zur Verfügung steht? Das ist nicht unbedingt eine angenehme Frage. Man denkt meistens nicht gerne über den eigenen Tod nach. Doch irgendwann drängt sie sich auf, ob gewollt oder ungewollt. 

Die Frage ist dabei nicht neu. Schon die Beter der Bibel bewegten diese Frage in ihren Herzen. 

„Ach Herr, lass mich wissen:
Wann wird es mit mir zu Ende gehen?
Wie viel Zeit bleibt mir noch?

Gib mir die Einsicht, dass ich sterben muss!
Sieh doch, nur eine Handvoll Tage
hast du mir auf der Erde gegeben.
Die Zeit, die mir zum Leben bleibt,
ist vor dir so gut wie nichts.“ Ps 39,5-6 BasisBibel

So betet zum Beispiel der Beter in Psalm 39. Ja, wenn man das nur wüsste? Wieviel Zeit habe ich noch? 

Diese Frage hat sich auch Jean-Remy von Matt gestellt. Der gebürtige Belgier ist Werbetexter. Seine Agentur hat ein paar Slogans entworfen, die Sie vielleicht auch schon gehört haben, z.B. für die Bildzeitung: „Bild dir deine Meinung“. 

Es ist schon einige Jahrzehnte her, als Jean-Remy von Matt sich die Frage nach dem Tod stellte. Er feierte gerade Geburtstag. Und da fragte er sich, warum wir eigentlich die Jahre zählen, die hinter uns liegen. Warum zählen wir nicht die Jahre, die vor uns liegen? Das wäre doch viel spannender. In einem Interview erzählte er von einer Milchtüte. Da fragen wir ja auch nicht, wie alt sie schon ist, sondern wie lange sie noch haltbar ist. Und auch bei einer Benzinuhr im Auto interessiert uns nicht, wann wir zuletzt getankt haben, sondern wie weit der Tank noch reicht. 

Doch Jean-Remy von Matt ging noch weiter. Er entwickelte eine Uhr. Aber anders als herkömmliche Uhren zeigt sie die Lebenszeit an, die ihm noch verbleibt, in Sekunden. Das war zunächst eine astronomisch große Zahl mit 9 Stellen oder vielleicht noch 10 Stellen. Doch ganz hinten, am Ende der Anzeige, da purzelten die Zahlen zügig rückwärts. 10, 9, 8, 7 und so weiter. 

Grundlage für seine Berechnung sind statistische Angaben für die durchschnittliche Lebenserwartung. Entscheidend aber ist gar nicht, wie gut die aktuellen Zahlen sind. Viel wichtiger ist, dass einem die Uhr ziemlich deutlich vor Augen führt: „Deine Zeit vergeht.“ 

„Ach Herr, lass mich wissen:
Wann wird es mit mir zu Ende gehen?
Wie viel Zeit bleibt mir noch?

Gib mir die Einsicht, dass ich sterben muss!“

Der Psalmbeter hatte solche technischen Möglichkeiten nicht. Und doch hat ihn die gleiche Frage bewegt wie den Werbetexter ein paar Jahrtausende später. 
Aber was macht man mit der Erkenntnis, dass die eigenen Tage des Lebens schnell vergehen?

Auf den Uhren von Jean-Remy von Matt ist eine Mahnung eingraviert: „A constant reminder to make the most of your life.“ – „Eine stete Erinnerung daran, das Beste aus deinem Leben zu machen.“ 

Von Matt hat für sich ein paar Konsequenzen gezogen und sein Leben angepasst. Manches macht er nicht mehr, anderes um so bewusster. Vor allem aber hat sich seine Einstellung zur Zeit und zum Sterben verändert. 

Ein Philosoph sagte einmal: „Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, was uns verbraucht oder zerstört, sondern als etwas, das uns vollendet.“ (Antoine de Saint-Exupéry)

Aus dieser Sicht gewinnt das Leben eine andere Qualität. Für von Matt kommt es nun nicht mehr darauf an, wie lange er lebt. Viel wichtiger ist für ihn, dass er seine Zeit mit Sinn füllen kann. Der Gedanke dabei ist: Mit Sinn gefüllte Zeit lässt das Leben wachsen und reifen. Darin vollendet sich das Leben in einem positiven Sinn. 

Das Ziel von Jean-Remy von Matt ist also keineswegs, seiner Uhr am Ende ein Schnippchen zu schlagen und die Stunde null mitzuerleben. Das könnte natürlich passieren. Dann hält die Uhr einen kleinen Gag bereit. Sie zählt nun die Sekunden ins Positive. Und alle paar Sekunden fragt sie: „Immer noch am Leben? Das ist ein Geschenk!“

Irgendwann ist dann aber nicht nur die Uhr im Wohnzimmer abgelaufen. Irgendwann ist auch das Leben wirklich zu Ende.

Im Interview kommt von Matt dabei auf seine Mutter zu sprechen. Obwohl sie schwer krank war und schon früh starb, sei sie „gut gelaunt“ gestorben, sagt er. Sie starb im Vertrauen auf Gott: „Wenn der Herrgott mich ruft, dann gehe ich.“Von Matt selbst ist nicht religiös. Er hat für sich keine Hoffnung über den Tod hinaus. Aber soviel möchte er von seiner Mutter lernen, den eigenen Tod als „verdienten Feierabend“ zu sehen. 

Mich beeindruckt diese Uhr von Jean-Remy von Matt. Mich beeindrucken auch seine Gedanken über die Zeit und das Sterben. Manches ist gar nicht so weit weg von dem, was die alten Beter sich dachten und mit anderen Worten ausdrückten. Sie könnten sich gut mit ihm unterhalten. Vielleicht würden sie sogar eine Uhr bei ihm bestellen. 

Und doch finde ich bei den alten Betern noch etwas, was über die Philosophie Jean-Remy von Matts hinaus geht. Sie drehen sich mit ihrem Nachdenken nicht nur um sich selbst. Sie bringen ihr Nachdenken in eine Richtung. Ihr Fragen und Grübeln findet eine Adresse. „Ach Herr!“, rufen sie. Sie wenden sich an Gott. Und vor Gott lassen sie ihre Gedanken kreisen, ihrer Ängste, ihre Klage, ihreNot. 

„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Ps 31,16) So bekennt es der Beter von Psalm 31. Ich finde das großartig. Auch dieser Beter weiß, wie gefährdet das Leben ist. Und auch dieser Beter liebt sein Leben und möchte es nicht verlieren. Entscheidend für ihn ist aber, dass Gott sein Leben in seiner Hand hält. Das verändert seinen Blick und gibt ihm Trost. 

Doch bei allem Gottvertrauen, blieb auch für die Beter der frühen Psalmen der Tod etwas Bedrohliches. Aber ihr Fragen und ihr Ringen mit Gott blieb nicht ohne Antwort. Gott weckte in ihnen die Gewissheit, dass auch der Tod nicht das Ende ist. 

Ganz deutlich hat Gott das dann auch in Jesus Christus gezeigt. Weil Jesus gestorben und auferstanden ist, fragt Paulus ganz provokant: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1. Kor 15,55) Für ihn ist der Tod nichts bedrohliches mehr, weil Jesus Christus den Tod überwunden hat. Als Christen gehören wir zu Gott, ob wir leben oder sterben. (Röm 14,8) Der Tod trennt uns nicht mehr von Gott. Gottes Liebe hält uns fest in Ewigkeit, auch wenn wir sterben. 

Wie lange werde ich noch leben? Wie viel Zeit steht noch auf meiner Lebensuhr? Eine Uhr von Jean-Remy von Matt wäre mir zu teuer mit rund 2.500 €. Aber ich habe einmal im Taschenrechner meine Daten eingegeben. Statistisch gesehen verbleiben mir noch rund 950.000.000 Sekunden. Oder anders gesagt ungefähr 30 Jahre. 

Jean-Remy von Matt und die Beter der Psalmen erinnern mich daran, zu fragen, wie ich sinnvoll mit meiner verbleibenden Zeit umgehe. Mit den Betern rufe ich zu Gott: Gib mir die Einsicht, dass ich sterben muss!

Im Vertrauen auf Gott kann ich dann leben und sterben: Denn meine Zeit steht in Gottes Händen. Das ist meine Hoffnung, mein Glaube und meine Bitte an Gott. 

Amen

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