Predigt zu Heilig Abend 2023, 24.12.2023, Pn. Isabell Giebel
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus.
Amen.
Liebe Gemeinde,
früher, als Kind, hatte ich Angst im Dunkeln. Abends, beim Einschlafen,
musste die Tür zum Flur immer ein Stück offen bleiben. Und wehe, jemand
knipste dort einfach so das Licht aus, noch bevor ich eingeschlafen war!
Bei meinen Kindern beobachte ich ähnliches: Sie mögen es, wenn abends im
Kinderzimmer noch ein kleines Lichtlein brennt. Normalerweise ist es ein Hase,
der in verschiedenen Farben leuchten kann. In der Advents- und
Weihnachtszeit leuchtet stattdessen oft ein Stern neben den Betten der Kinder.
Das hilft beim Einschlafen. Sogar meine Schwiegermutter steckt abends immer
ein Nachtlicht in die Steckdose.
Vielleicht kommt das Ihnen ja bekannt vor. Wir sind also alle in guter
Gesellschaft.
(2) Damals, vor 2000 Jahren, war es auch finster. Dort, auf den Feldern von
Bethlehem sitzen die Hirten im Dunkeln. Sie sehen nichts. Ein Glück, dass sie
nicht über das nächste Lämmchen stolpern und noch den Hütehund vom Schaf
unterscheiden können. Die Hirten müssen aufpassen, dass kein Schaf wegläuft.
Sie müssen Wache halten, damit kein wildes Tier sich an die Herde
heranschleicht und sich sein Nachtmahl holt. Das kleine Lagerfeuer bringt nur
wenig Licht. Es ist dunkel, dort auf der Weide.
(3) Wenn wir hier in unseren Breiten die Adventszeit begehen, dann ist es auch
dunkel draußen. Gerade der Dezember ist die dunkelste Zeit des Jahres. Erst
um acht Uhr wird es hell, und Nachmittags um vier schon wieder dunkel. Und
dann wird es auch manchmal innerlich dunkler. Die Dunkelheit draußen legt
sich aufs Gemüt. Bei dem einen ist es vielleicht die Einsamkeit, die ihm zu
schaffen macht. Der Tod eines geliebten Menschen und die Traurigkeit sind so,
als ob jemand plötzlich das Licht ausgeschaltet hätte. Bei einem anderen wirft
Schuld und Streit einen Schatten auf die Seele, den man nicht ewig ignorieren2
kann. Und manch einem macht der Zustand unserer Welt Angst. Manchmal
scheint der Tunnel kein Ende zu nehmen. Und in unserem Innern ist es so
dunkel wie draußen.
(4) Gegen die Dunkelheit draußen haben wir ein Mittel gefunden. Gerade in
dieser Zeit stecken wir viele zusätzliche Lichter auf. Wenn ich durch die Straßen
spaziere, sehe ich in vielen Fenstern Lichter leuchten. Und egal wie unser
Tannenbaum geschmückt ist, mit viel oder wenig Lametta, mit edlen
Christbaumkugeln oder selbstgebastelten Strohsternen, eines fehlt wohl an
keinem Weihnachtsbaum: die Kerzen. Manchmal in echt, manchmal elektrisch,
manchmal als Lichterkette. Aber auf alle Fälle mit Licht.
Wenn es draußen dunkel wird, machen wir es uns gemütlich und zünden
Lichter an. Das vertreibt die Finsternis. Zumindest die äußere.
(5) Auf den Feldern von Bethlehem erleben die Hirten dann ein himmlisches
Blitzlicht. Mitten in der Nacht wird es plötzlich hell. Die Engel haben ihren
Auftritt. Ihr Licht leuchtet so hell, dass es die Hirten erst einmal blendet. Sie
sind erschrocken. Doch dann hören sie die Botschaft des Engels: „Fürchtet euch
nicht! Ich verkünde euch eine große Freude. Jesus, Gottes Sohn, ist heute
geboren. Dieses Kind wird die dunkle Nacht hell machen.“ Daraufhin machen
sich die Hirten auf den Weg zum Stall. Und ich stelle mir vor, wie sie in der
finstern Nacht ihre Laternen mitnehmen, um den Weg zu finden. So, wie sie die
Botschaft des Engels in ihren Herzen mitnehmen, wie einen
Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit. Diese Hoffnung ist wie ihre kleinen
Laternen. Sie brennt nicht hell und glänzend, doch sie leuchtet leise und zart.
Diese Hoffnung flüstert: „Es könnte doch stimmen, was der Engel gesagt hat –
vielleicht, hoffentlich, bestimmt?“ Ihre Hoffnung muss sich erst noch
bewahrheiten. Erst, wenn sie das Kind tatsächlich in der Krippe finden, erst
dann wissen sie, dass der Glanz der Engel keine Einbildung war. Dass die Engel
die Wahrheit sprachen. So machen sich die Hirten mit ihren Hoffnungslichtern
in den Laternen und in ihren Herzen auf den Weg zum Stall.
(6) Auch wenn wir mittlerweile elektrisches Licht haben und nur zu Deko-
Zwecken echte Kerzen in den Laternen, so ist doch die Botschaft von
Weihnachten die Gleiche geblieben: „Gott kommt auf die Erde. Gott wird
Mensch – für dich, aus Liebe.“ Für manche ist diese Botschaft wie ein
Hoffnungsschimmer, vielleicht auch zu schön, um wahr zu sein. Und manch3
einer hat sie schon als ein strahlend helles Licht in seinem Leben wirklich
erfahren. Die Botschaft von Weihnachten spricht unsere Sehnsucht an. Denn
da ist einer, der sich wirklich für uns interessiert. Der uns sieht in unserem
Leben, mit den Licht- und Schattenseiten, und der uns trotzdem liebt. Und dass
diese Liebe so groß ist, dass ein Gott vom Himmel herabsteigt, der die Distanz
zu uns überwindet. Gott wird Mensch und kommt auf die Erde, zu uns. Um mit
uns durchs Leben zu gehen, die Schatten auszuhalten und zu vertreiben, um die
Freude zu feiern.
Wenn Sie, liebe Gäste, diese Sehnsucht haben und wie die Hirten diesen
Hoffnungsschimmer, dann lade ich Sie ein: Vertrauen wir der Botschaft der
Engel. Machen wir uns mit den Hirten auf den Weg. Gehen wir nach
Bethlehem, um in dem Stall das Gotteskind zu finden.
(7) Dort in dem Stall erleben die Hirten dann ein kleines Wunder: das Kind in
der Krippe. Ich stelle mir vor, wie es in diesem nächtlichen Stall in Bethlehem
auf wundersame Weise hell wird. Von der Krippe geht ein helles Licht aus. Es
leuchtet heller als alle anderen Lichter, zumindest in meiner Vorstellung.
Denn als Jesus Christus Jahrzehnte später erwachsen war, sagte er einmal: „Ich
bin das Licht der Welt.“ Dort, in Bethlehem, kam dieses Licht in die Welt. Gott
kam in die Welt, er, der das Licht geschaffen hat.
Wenn wir zusammen mit den Hirten zu Jesus gekommen sind, erleben wir es
selber:
Jesus vertreibt die Angst und die Finsternis, die sich in unseren Seelen
breitmachen wollen. Sein Licht und seine Liebe sind wie eine warme
Umarmung in unserer Einsamkeit. Mit seinem liebevollen Blick können wir
darauf schauen, wo wir von anderen verletzt wurden und wo wir selbst andere
verletzten. Die dunklen Stellen in unserem Leben werden mit seinem Licht hell
und heil. Das Leben Jesu Christi gibt uns Orientierung und zeigt uns, wie wir
handeln sollen. Und schließlich ist Jesus Christus das Licht, auf das unser Leben
zuläuft. Denn im Glauben an ihn steht am Ende unseres Lebens nicht der
dunkle Tod, sondern Gottes Lebenslicht.
Wenn wir mit dem Herzen dort im Stall von Bethlehem angekommen sind,
erkennen wir: Gott wird Mensch und liegt in der Krippe. In die Dunkelheit
schickt er seinen Sohn als das Licht der Welt. Und er sagt: „Zu dir komme ich.
Bei dir will ich wohnen. Du sollst immer wissen, dass ich auch das Licht in4
deinem Leben sein möchte. Weil du mir wichtig bist. Genau deshalb, genau
wegen dir, bin ich im Stall von Bethlehem geboren. Ich bin das Licht in deiner
Dunkelheit. Fürchte dich nicht.“
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere
Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Und fröhliche Weihnachten.