Andacht 07.05.2023

07. Mai 2023 | Andachten

Predigt vom 07.05.2023
Lied zur Predigt: Lobe den Herren

 

Kantate – Singt!

Predigt zum Sonntag Kantate über Mt 21,8-17, 07. Mai 2023

Bibeltext 

Lesung aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 21: Der Predigttext beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem.

8Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! 
10Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der? 11Das Volk aber sprach: Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa.

12Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb hinaus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler 13und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus. 

14Und es kamen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie. 
15Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosianna dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich 16und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen: »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«? 17Und er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und blieb dort über Nacht.

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. 

Liebe Gemeinde,

da ist ein kleines Mädchen. Sie spielt sehr gerne mit ihren Puppen. Oder besser gesagt: Sie ist eine richtige Puppenmutter für ihre Puppen, für Tommi, Bella und Mia. Wie eine richtige Mutter umsorgt sie Tommi. Hat Tommi Durst, bekommt er sein Fläschchen. Und natürlich muss er auch gewickelt werden. Dann bringt sie ihn noch ins Bad und setzt ihn auf‘s Töpfchen. Schließlich muss Tommiwieder angezogen werden. Und wenn sie Tommi ins Bett bringt, dann wird mit ihm erst noch ein Buch geguckt. 

Das kleine Mädchen spielt mit ihrer Puppe das, was sie selbst erlebt. Sie beobachtet ganz genau, was um sie herum so alles passiert. Und das spiegelt sich in ihrem Spiel wider.

Das werden Kinder zu allen Zeiten so gemacht haben. Auch die Kinder zu Jesu Zeiten.

Und so kann ich mir gut vorstellen, wie die Kinder im Tempel gespielt haben. Vielleicht standen sie noch vor wenigen Stunden mit den Erwachsenen am Straßenrand. Sie beobachteten, wie Jesus auf einem Esel in Jerusalem einritt. Und hörten das Lied: „Hosianna dem Sohn Davids.“ Nun ist das große Spektakel vorbei und sie sind sich selbst wieder überlassen. 

Der Tempelvorhof ist ihr Abenteuerspielplatz. Und nun spielen sie, was sie gesehen haben: Einerspielt den Messias. Vielleicht haben sie sich vorher um diese Rolle gekabbelt, alle Jungen wollten den Messias spielen. Aber wieder einmal hat der Größte gewonnen. Alle anderen müssen nun in einer Reihe stehen. Vielleicht haben sie wie die Erwachsenen an den Straßenrändern Jerusalems ihre Kleider vor sich auf dem Boden ausgebreitet. Und während der Glückspilz, der den Messias spielen darf, vor ihnen auf und ab stolziert, schmettern sie: „Hosianna dem Sohne Davids!“

Ganz vertieft sind sie in ihr Spiel. 
Ob ihnen wohl bewusst war, was sie da rufen? „Hosianna dem Sohne Davids!“

Dieser Ruf „Hosianna“ ist hebräisch. Wenn wir ihn wörtlich übersetzen, heißt es „Hilf, Herr, hilf!“. Doch es ist weit mehr als ein Bittruf. Denn in ihm klingt der Dank schon mit. Wir hören bereits dieFreude. Wir spüren das Glück, dass da einer ist, der hilft.

Und dann werden die Kinder auf Jesus aufmerksam. Wenn da einer Tische und Bänke umschmeißt, wenn da einer Kranke heilt, dann bleibt das nicht ohne Aufsehen. Weder bei den Großen noch bei den Kleinen. 

Die Kinder erkennen Jesus wieder. Sie standen ja bei seinem Einzug in Jerusalem dabei. Und nun ist er da, im Tempelvorhof. Und sie machen das, was vorher die Erwachsenen gemacht haben: Sie rufen ganz laut „Hosianna dem Sohne Davids.“

Ob die Kinder das alles verstehen? Ob sie wirklich wissen, was sie sagen?
Ob sie begreifen, dass es hier um den Messias geht, dass dieser Gesalbte Gottes selbst neben ihnen her geht?

Ich weiß es nicht. Aber ich spüre ihre Freude. Ich höre ihre Bitte und auch ihren Dank. Und ich ahne: „Kindermund tut Wahrheit kund.“ Stimmiger als hier wird das alte Sprichwort kaum jemals gewesen sein.

Denn hier haben die Kinder die Wahrheit gesagt. Erst haben sie alles mit angeschaut, haben es nachgespielt. Und dann, als sie Jesus erkennen und in ihm den Messias, wird das Spiel zur Wirklichkeit. Die Wunder, die Jesus tut, und das Lob der Kinder – beides gehört untrennbar zusammen. 

Und damit haben die Worte der Kinder eine ungeheure Macht. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten ärgern sich darüber. Die Worte der Kinder sind in ihren Augen gefährlich. Das muss unterbunden werden!

„Hörst Du, was sie rufen?“, fragen die Hohenpriester und Thoragelehrten, obwohl sie die Wunder sehen, die Jesus tut. „Hörst Du auch, was diese sagen?“, fragen sie voller Entrüstung, als sie den Gesang der Kinder hören. Denn im Grunde wollen sie nichts anderes, als dass „der Sohn Davids“ sich distanziert und diesen Titel ablehnt.

Doch er war ja gerade im „Namen des Herrn“ gekommen, um seinen Brüdern und Schwestern zu helfen. Der ist gekommen, um „zu verkünden das Evangelium den Armen, um zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen…(Lukas 4,18f)
Und der will einst kommen, um alles, wirklich alles, neu zu machen.
Er war und ist der Messias, daran gab und gibt es nichts zu rütteln. 

Liebe Gemeinde, erinnern Sie sich noch an unsere kleine Puppenmutter vom Anfang? 
Manchmal muss sie ihrer Puppe Tommi die Hände waschen. Dazu klettert sie auf ihren Hocker, mit Tommi im Arm, und beugt sich über das Waschbecken. Doch bevor Tommi eine Ganzkörperdusche bekommt, kommt glücklicherweise die Mutter der Kleinen, also sozusagen die Oma von Tommi,dazu. Sie versucht, ihrer Tochter zu sagen: „Wir tun nur so, als ob wir Tommi die Hände waschen würden.“ 

Das versteht unsere kleine Puppenmutter. Sie weiß ganz genau, was das meint: so tun als ob. Und lässt den Wasserhahn zu.

Die Kleine tut so, als ob. Und in ihrem Spiel lernt sie, wie es wirklich geht. Sie übt sozusagen erst einmal „trocken“, als Trockenübung. Im Spiel wird die Wirklichkeit probeweise erfahren. Hier können wir Erwachsene etwas von der kleinen Puppenmutter lernen. Im So-tun-als-ob. 

Im Gottesdienst, wenn wir die Psalmen beten oder Lieder singen, die alten und die neuen, dann benutzen wir fremde Worte. Wir sprechen Worte, die nicht unsere eigenen sind. Aber wir tun so, als ob sie es wären, und singen und beten mit. Und dabei werden die fremden Worte irgendwann meine eigenen Worte. Ich eigne sie mir an. Aus einer Trockenübung wird Wirklichkeit. 

Der Sonntag heute steht unter der großen Überschrift „Kantate – Singt!“ Daher wird auch viel gesungen heute. 

Manch einer erinnert sich noch: Vor ein-zwei Jahren hatte die Evangelische Kirche in Deutschland zu einer Abstimmung aufgerufen. Es sollten die beliebtesten fünf Kirchenlieder gewählt werden. Und so haben ca. 10.000 Menschen jeweils ihre persönlichen fünf Lieblings-Kirchenlieder gewählt. Auf Platz eins der Liste steht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Danach kommen „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ und „Großer Gott, wir loben dich“. Die Liste der Top 5 wird dann komplettiert von dem Irischen Segenswunsch „Möge die Straße uns zusammenführen“ und von dem Klassiker „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. 
Ich weiß, einige von Ihnen haben an dem Gesangbuchwettbewerb teilgenommen. Und, ist Ihr Lieblingslied nun dabei?

Einige der Damen und Herren, die die Lieder gedichtet haben, sind schon lange verstorben.Trotzdem gehören gerade auch ältere Lieder zu unseren Lieblingsliedern. Ich zum Beispiel mag unter anderem sehr das Lied „Jesu, meine Freude“. Text und Melodie sind fast 400 Jahre alt. Doch sie drücken eine Glaubenserfahrung aus, die auch jetzt noch wahr ist. 

Und so benutzen wir heute immer noch Worte und Melodien verstorbener Dichter und Komponisten. Damit wird das ein oder andere Lied zu unserem Lied, die fremden Worte zu unseren Worten. Worte, die von anderen Christen aufgeschrieben wurden, werden wieder neu Wirklichkeit. 

So, wie der alte Ruf „Hosianna dem Sohne Davids“ aus einem alten Gebet in dem Mund der Kinder wahr und wirklich wird.

Und so erleben wir, dass Lieder eine große Kraft haben. 
Am Ende eines angestrengten Tages führen sie uns zur Ruhe der Nacht.
Am Morgen eines neuen Tages wecken Worte und Töne unsere Aufmerksamkeit für die Schönheit der Schöpfung und machen Lust zu leben.
An einem Geburtstag, bei einer Taufe oder auf einer Hochzeit können wir im Singen unserer Freude Ausdruck geben – und die Freude dadurch oft viel stärker noch empfinden.

Und im Angesicht des Todes wollen die überlieferten Worte den eigenen Glauben stärken, da helfen die Melodien, zu trauern. Wenn uns selbst die Worte fehlen.

Vor allem aber halten Lieder unsere Hoffnung wach:
Dass dem Tod das letzte Wort bestritten wird,
dass nicht alles so bleiben muss, wie es gestern war und heute ist,
dass die Zukunft also eine andere sein könnte –
das alles erahnen wir oft im Singen. 

Die Lieder unserer Kirche sind ein großer Schatz. Denn sie öffnen uns nicht selten die Augen für das, was längst schon zu sehen und zu loben ist. Die Melodien entfalten oftmals eine Kraft, in der wir uns bergen können, durch die wir getragen werden. Und in den Worten kann tiefe Wahrheithörbar und vernehmbar werden. 

„Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe!“ 
Wie schön ist es doch, dass unsere Väter und Mütter sich dieses Lied der Kinder zu eigen gemacht haben und wir es bis heute singen können.
Immer wieder, so zum Beispiel in der Liturgie der Abendmahlsfeier. 
Wir verkündigen und singen es, bis er kommt. Dann wird das Lob des Lebens wirklich und wahrhaftig von allen gesungen werden.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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