Andacht 22.09.2024

21. September 2024 | Andachten

 


Predigt vom 22.09.2024

Predigtlied Herr, du bist mein Leben

Des Christen neue Kleider

Predigt zu Gal 3,26-29; 17. Sonntag nach Trinitatis, 22.09.2024

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn

Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

(1) na, haben Sie heute morgen frische Wäsche angezogen? Es ist ja doch

ab und an mal nötig, das Hemd zu wechseln. Ihr Sitznachbar wird es Ihnen

danken.

Oft steht man ja vor dem Kleiderschrank, fragt sich, was man anziehen soll.

Und weniger man, sondern meistens frau, denkt sich: „Ich habe nichts

anzuziehen.“ Irgendwie fehlt für genau die anstehende Gelegenheit das

passende Outfit.

Dabei ist der Kleiderschrank voll, denn man will ja für alle

Wetterverhältnisse und sozialen Gelegenheiten und Arbeitseinsätze und

Sportstunden und Feierlichkeiten gerüstet sein. Und auch wenn Reinhold

Messner sich darüber aufregt, dass manche Leute in Sport- und

Funktionsklamotten eben nicht auf den Berg klettern, sondern nur durch

die Innenstädte bummeln, sollen die Klamotten am besten noch bequem

sein.

Am Ende kann man über Kleidung reden, soviel man will: Kleidung ist

immer ein Statement. Man drückt damit seine Meinung aus, zeigt etwas von

seinen Ansichten und Wünschen. Und weil jeder von uns so

unterschiedlich ist, so ist auch unsere Kleidung unterschiedlich.

(2) Der Apostel Paulus macht es sich da ein bisschen einfacher: Alle

Christen, die getauft sind, haben das gleiche an. Ausnahmslos ohne

Unterschiede, übrigens auch ohne eine Unterscheidung zwischen

femininem und maskulinem Schnitt.

Bei Paulus ist das nun kein Kleid aus Stoff. Sondern er sagt:

„Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn

ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“ (Gal

3,26-27)

Paulus nutzt in seinen Briefen unterschiedliche Bilder, um zu erklären, was

in der Taufe passiert. In dem Brief, den er hier an die Galater schreibt,

nimmt er das Bild der Kleidung. Wenn man getauft wird, zieht man JesusChristus wie ein neues Kleid über.

Die Empfänger des Briefes konnten sich darunter gut etwas vorstellen. Die

meisten von ihnen waren sogenannten Heiden. Das heißt, sie stammten

nicht aus dem Volk Israel, sie waren keine Juden, denen der Glaube an den

einen Gott Israels bekannt gewesen wäre. Stattdessen stammten sie aus

den vielen verschiedenen Völkern dort in der Provinz Galatien. Das liegt im

zentralen Gebiet von Kleinasien. Und die Sache, dass man ein neues Kleid

anzieht, wenn man in eine neue Religion aufgenommen wird, das war ihnen

bekannt. Das gab es auch in anderen Religionen in ihrer Umwelt. Da gab es

auch das Ritual, dass man als Neu-Bekehrter in einer

Religionsgemeinschaft ein neues Kleid aus Stoff bekam.

Wenn ich das einmal theologisch deute, bediente sich Paulus hier eines

Kunstgriffes. Er sagt: Wenn man getauft wird und Christ wird, zieht man

Jesus wie ein Kleid an. Er setzt sich hier ziemlich klar ab gegenüber den

anderen Religionen. Denn deren Kleider aus Stoff zerreißen und bekommen

Löcher. Sie unterliegen der Vergänglichkeit, so, wie auch deren

vermeintliche Götter Nichtse sind. Doch bei dem Kleid namens Christus ist

das ganz anders. Da diese Kleid nicht aus Stoff ist, hat es eine höhere

Lebensdauer. So wie Christus den Tod überwunden hat, so hält auch sein

Kleid bis in die Ewigkeit.

Paulus macht hier also den Kleiderschrank des Glaubens auf, und fischt

das Kleid Jesu Christi vom Bügel der Taufe. Und das ist ein besonderes

Kleid. Es gibt es nur in einem Schnitt und in einer Farbe, das passt für alle.

(3) Ich erinnere mich noch gut an eine Begebenheit vor vielen Jahren: Es war

Sonntag, und für den Kirchgang hatte eins unserer Mädchen sich hübsch

gemacht und eine weiße Strumpfhose angezogen. Sie durfte die weiße

Hose auch danach noch trage, doch nur unter der Bedingung, dass sie

darauf achtete und damit nicht durch den Garten räubern würde. Beim

Sonntagsnachmittagsspaziergang am Randkanal wurde aber dann gerannt

und gesprungen – und zack, war sie hingefallen und die weiße Strumpfhose

hat am Knie einen schönen großen Grasfleck. Da war ich ziemlich bedient.

Es ist eben so: Wenn man schicke Sachen anhat, sollte man sich auch

entsprechend benehmen. Also etwas vornehmer und aufrechter, etwas

vorsichtiger und gemäßigter, damit nicht die Sahnetorte auf dem

Seidenrock landet. So ist es auch mit dem Kleid, das wir bei unserer Taufe

angezogen haben. Wir haben Christus angezogen, also sollten wir uns auch

wie er verhalten. Wer Christus an hat, sollte nach seinem Willen fragen,sein Leben so gestalten, dass es zum Glauben an Jesus Christus passt.

Dafür könnte man nun eine lange Liste aufführen, die zehn Gebote

hinzunehmen und so weiter. Doch heute morgen beschränken wir uns mit

Paulus auf einen Aspekt.

(4) Paulus geht davon aus, dass alle in der Taufe Christus angezogen

haben. Alle haben dann das gleiche an. Unterschiedslos. Und das führt

ganz automatisch zu der Forderung, in Christus alle gleich zu behandeln. In

der Gemeinde sollen seiner Meinung nach die vielen Unterschiede, die uns

Menschen sonst ausmachen, keine Bedeutung mehr haben.

Paulus formuliert das so:

„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist

nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.

Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und

nach der Verheißung Erben.“ (Gal 3,28-29)

Damit hatte Paulus bei den Galatern so seine Probleme.

Am Anfang lief das noch alles gut. Viele Heiden waren zum Glauben

gekommen und gehörten zur Gemeinde. Doch als Paulus die Gegend

schon wieder verlassen hatte, kamen andere Missionare. Und die vertraten

eine etwas andere Ansicht. Vor allem machten sie einen großen

Unterschied zwischen Christen, die vorher Heiden waren, und Christen, die

vorher schon Juden waren. Denn die Christen aus den Heidenvölkern

sollten nun nach jüdischen Sitten und Gebräuchen leben. Erst dann wären

sie vollgültige Christen. Jedenfalls war man in der Gemeinde in Galatien in

Aufruhr. Und Paulus in der Ferne nicht weniger ob dieser Entwicklung.

Daher schrieb Paulus diesen Brief an die Galater. Um sie zu erinnern, dass

es in Christus keine Unterschiede mehr gibt. Vielmehr sind alle eins, eine

Gemeinschaft, in der niemand wegen seines sozialen Standes oder wegen

seines Geschlechtes geringer geachtet wird. Alle, sogar Sklaven und

Frauen, sind freie und privilegierte, reich beschenkte und bevollmächtigte

Kinder Gottes. Dieser Gedanke war revolutionär. Denn eine solche Stellung

kam damals nur dem mündigen Sohn im Haus seines Vaters zu, also dem

einen Erben in einer Familie. Und nun sagt Paulus auf einmal: „Eine solche

Stellung wie dieser Erbe, eine solche besondere und herausragende

Stellung habt ihr alle, hat jeder von euch. Ihr seid alle gleichberechtigt.

Unter euch gibt es auch keine Rangordnung mehr. Vor allem hat all das

keine Auswirkungen darauf, ob ihr gerettet werden oder nicht, ob ihr dasHeil in Christus habt oder nicht.“

Das war schon ein dickes Brett, das Paulus da in Galatien bohren musste.

(5) Bei uns heute ist dieses Brett sicherlich schon dünner. Ganz so abwegig

ist uns dieser Gedanke nicht mehr seit der Französischen Revolution. Da

wurden Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zum neuen sozialen Motto.

Dieser genuin christliche Gedanke wurde sozusagen auf alle Menschen

übertragen.

Doch ich ertappe mich immer noch dabei, dass ich andere anhand ihrer

Kleidung einschätze und einordne. Und das macht leider auch vor der

Kirchentür nicht halt. So passiert es leider immer mal, dass ich

Unterschiede mache und ganz vergesse, dass jedem in Christus die gleiche

Akzeptanz und die Würde innerhalb unserer Christengemeinschaft

zukommt.

Das ist das eine. Das andere ist: Ich bin als Erbe eingesetzt. Ich werde die

Ewigkeit bei Gott erben. Und da, vor Gott, ist es völlig egal, ob einer

Kassenpatient ist oder privat versichert, ob er Aufsichtsratsvorsitzender ist

oder Putzkraft.

Denn wer getauft ist und glaubt (Mk 16,16), der hat Jesus Christus wie ein

Kleid angezogen. Er gehört zu Christus, und nur das ist entscheidend in der

Frage nach dem ewigen Leben.

(6) Wenn ich so meine Schwäche überdenke, dann bleibt vor allem die eine

Frage: Passt mir das Kleid? Klar haben wir Jesus Christus in der Taufe wie

ein Kleid angezogen. Aber sitzt das schon gut? Oder müssen wir da

vielleicht hineinwachsen? Bei Kindern kauft man auch oft den Pullover eine

Nummer größer, damit er nächsten Winter auch noch passt.

Mit dem Kleid, das ich als Getaufte anhabe, verbindet sich die

Selbstverständlichkeit, mich so zu verhalten, wie es Jesus entspricht. Nur

dass ich da noch manchmal stolpere.

Und so wird aus der Selbstverständlichkeit der Wunsch: Mögen wir

hineinwachsen in das Kleid, das wir mit Jesus bei der Taufe angezogen

haben. Mögen wir immer mehr so leben und handeln, wie es diesem Kleid

entspricht, dass wir uns also dem Kleid auch angemessen verhalten.

Gott macht in seiner Liebe zu uns keine Unterschiede. Da sollten wir es

auch nicht tun. Denn im Glauben an Jesus Christus tragen wir alle das

gleiche Kleid.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre

unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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