Des Christen neue Kleider
Predigt zu Gal 3,26-29; 17. Sonntag nach Trinitatis, 22.09.2024
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn
Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
(1) na, haben Sie heute morgen frische Wäsche angezogen? Es ist ja doch
ab und an mal nötig, das Hemd zu wechseln. Ihr Sitznachbar wird es Ihnen
danken.
Oft steht man ja vor dem Kleiderschrank, fragt sich, was man anziehen soll.
Und weniger man, sondern meistens frau, denkt sich: „Ich habe nichts
anzuziehen.“ Irgendwie fehlt für genau die anstehende Gelegenheit das
passende Outfit.
Dabei ist der Kleiderschrank voll, denn man will ja für alle
Wetterverhältnisse und sozialen Gelegenheiten und Arbeitseinsätze und
Sportstunden und Feierlichkeiten gerüstet sein. Und auch wenn Reinhold
Messner sich darüber aufregt, dass manche Leute in Sport- und
Funktionsklamotten eben nicht auf den Berg klettern, sondern nur durch
die Innenstädte bummeln, sollen die Klamotten am besten noch bequem
sein.
Am Ende kann man über Kleidung reden, soviel man will: Kleidung ist
immer ein Statement. Man drückt damit seine Meinung aus, zeigt etwas von
seinen Ansichten und Wünschen. Und weil jeder von uns so
unterschiedlich ist, so ist auch unsere Kleidung unterschiedlich.
(2) Der Apostel Paulus macht es sich da ein bisschen einfacher: Alle
Christen, die getauft sind, haben das gleiche an. Ausnahmslos ohne
Unterschiede, übrigens auch ohne eine Unterscheidung zwischen
femininem und maskulinem Schnitt.
Bei Paulus ist das nun kein Kleid aus Stoff. Sondern er sagt:
„Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn
ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“ (Gal
3,26-27)
Paulus nutzt in seinen Briefen unterschiedliche Bilder, um zu erklären, was
in der Taufe passiert. In dem Brief, den er hier an die Galater schreibt,
nimmt er das Bild der Kleidung. Wenn man getauft wird, zieht man JesusChristus wie ein neues Kleid über.
Die Empfänger des Briefes konnten sich darunter gut etwas vorstellen. Die
meisten von ihnen waren sogenannten Heiden. Das heißt, sie stammten
nicht aus dem Volk Israel, sie waren keine Juden, denen der Glaube an den
einen Gott Israels bekannt gewesen wäre. Stattdessen stammten sie aus
den vielen verschiedenen Völkern dort in der Provinz Galatien. Das liegt im
zentralen Gebiet von Kleinasien. Und die Sache, dass man ein neues Kleid
anzieht, wenn man in eine neue Religion aufgenommen wird, das war ihnen
bekannt. Das gab es auch in anderen Religionen in ihrer Umwelt. Da gab es
auch das Ritual, dass man als Neu-Bekehrter in einer
Religionsgemeinschaft ein neues Kleid aus Stoff bekam.
Wenn ich das einmal theologisch deute, bediente sich Paulus hier eines
Kunstgriffes. Er sagt: Wenn man getauft wird und Christ wird, zieht man
Jesus wie ein Kleid an. Er setzt sich hier ziemlich klar ab gegenüber den
anderen Religionen. Denn deren Kleider aus Stoff zerreißen und bekommen
Löcher. Sie unterliegen der Vergänglichkeit, so, wie auch deren
vermeintliche Götter Nichtse sind. Doch bei dem Kleid namens Christus ist
das ganz anders. Da diese Kleid nicht aus Stoff ist, hat es eine höhere
Lebensdauer. So wie Christus den Tod überwunden hat, so hält auch sein
Kleid bis in die Ewigkeit.
Paulus macht hier also den Kleiderschrank des Glaubens auf, und fischt
das Kleid Jesu Christi vom Bügel der Taufe. Und das ist ein besonderes
Kleid. Es gibt es nur in einem Schnitt und in einer Farbe, das passt für alle.
(3) Ich erinnere mich noch gut an eine Begebenheit vor vielen Jahren: Es war
Sonntag, und für den Kirchgang hatte eins unserer Mädchen sich hübsch
gemacht und eine weiße Strumpfhose angezogen. Sie durfte die weiße
Hose auch danach noch trage, doch nur unter der Bedingung, dass sie
darauf achtete und damit nicht durch den Garten räubern würde. Beim
Sonntagsnachmittagsspaziergang am Randkanal wurde aber dann gerannt
und gesprungen – und zack, war sie hingefallen und die weiße Strumpfhose
hat am Knie einen schönen großen Grasfleck. Da war ich ziemlich bedient.
Es ist eben so: Wenn man schicke Sachen anhat, sollte man sich auch
entsprechend benehmen. Also etwas vornehmer und aufrechter, etwas
vorsichtiger und gemäßigter, damit nicht die Sahnetorte auf dem
Seidenrock landet. So ist es auch mit dem Kleid, das wir bei unserer Taufe
angezogen haben. Wir haben Christus angezogen, also sollten wir uns auch
wie er verhalten. Wer Christus an hat, sollte nach seinem Willen fragen,sein Leben so gestalten, dass es zum Glauben an Jesus Christus passt.
Dafür könnte man nun eine lange Liste aufführen, die zehn Gebote
hinzunehmen und so weiter. Doch heute morgen beschränken wir uns mit
Paulus auf einen Aspekt.
(4) Paulus geht davon aus, dass alle in der Taufe Christus angezogen
haben. Alle haben dann das gleiche an. Unterschiedslos. Und das führt
ganz automatisch zu der Forderung, in Christus alle gleich zu behandeln. In
der Gemeinde sollen seiner Meinung nach die vielen Unterschiede, die uns
Menschen sonst ausmachen, keine Bedeutung mehr haben.
Paulus formuliert das so:
„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist
nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.
Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und
nach der Verheißung Erben.“ (Gal 3,28-29)
Damit hatte Paulus bei den Galatern so seine Probleme.
Am Anfang lief das noch alles gut. Viele Heiden waren zum Glauben
gekommen und gehörten zur Gemeinde. Doch als Paulus die Gegend
schon wieder verlassen hatte, kamen andere Missionare. Und die vertraten
eine etwas andere Ansicht. Vor allem machten sie einen großen
Unterschied zwischen Christen, die vorher Heiden waren, und Christen, die
vorher schon Juden waren. Denn die Christen aus den Heidenvölkern
sollten nun nach jüdischen Sitten und Gebräuchen leben. Erst dann wären
sie vollgültige Christen. Jedenfalls war man in der Gemeinde in Galatien in
Aufruhr. Und Paulus in der Ferne nicht weniger ob dieser Entwicklung.
Daher schrieb Paulus diesen Brief an die Galater. Um sie zu erinnern, dass
es in Christus keine Unterschiede mehr gibt. Vielmehr sind alle eins, eine
Gemeinschaft, in der niemand wegen seines sozialen Standes oder wegen
seines Geschlechtes geringer geachtet wird. Alle, sogar Sklaven und
Frauen, sind freie und privilegierte, reich beschenkte und bevollmächtigte
Kinder Gottes. Dieser Gedanke war revolutionär. Denn eine solche Stellung
kam damals nur dem mündigen Sohn im Haus seines Vaters zu, also dem
einen Erben in einer Familie. Und nun sagt Paulus auf einmal: „Eine solche
Stellung wie dieser Erbe, eine solche besondere und herausragende
Stellung habt ihr alle, hat jeder von euch. Ihr seid alle gleichberechtigt.
Unter euch gibt es auch keine Rangordnung mehr. Vor allem hat all das
keine Auswirkungen darauf, ob ihr gerettet werden oder nicht, ob ihr dasHeil in Christus habt oder nicht.“
Das war schon ein dickes Brett, das Paulus da in Galatien bohren musste.
(5) Bei uns heute ist dieses Brett sicherlich schon dünner. Ganz so abwegig
ist uns dieser Gedanke nicht mehr seit der Französischen Revolution. Da
wurden Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zum neuen sozialen Motto.
Dieser genuin christliche Gedanke wurde sozusagen auf alle Menschen
übertragen.
Doch ich ertappe mich immer noch dabei, dass ich andere anhand ihrer
Kleidung einschätze und einordne. Und das macht leider auch vor der
Kirchentür nicht halt. So passiert es leider immer mal, dass ich
Unterschiede mache und ganz vergesse, dass jedem in Christus die gleiche
Akzeptanz und die Würde innerhalb unserer Christengemeinschaft
zukommt.
Das ist das eine. Das andere ist: Ich bin als Erbe eingesetzt. Ich werde die
Ewigkeit bei Gott erben. Und da, vor Gott, ist es völlig egal, ob einer
Kassenpatient ist oder privat versichert, ob er Aufsichtsratsvorsitzender ist
oder Putzkraft.
Denn wer getauft ist und glaubt (Mk 16,16), der hat Jesus Christus wie ein
Kleid angezogen. Er gehört zu Christus, und nur das ist entscheidend in der
Frage nach dem ewigen Leben.
(6) Wenn ich so meine Schwäche überdenke, dann bleibt vor allem die eine
Frage: Passt mir das Kleid? Klar haben wir Jesus Christus in der Taufe wie
ein Kleid angezogen. Aber sitzt das schon gut? Oder müssen wir da
vielleicht hineinwachsen? Bei Kindern kauft man auch oft den Pullover eine
Nummer größer, damit er nächsten Winter auch noch passt.
Mit dem Kleid, das ich als Getaufte anhabe, verbindet sich die
Selbstverständlichkeit, mich so zu verhalten, wie es Jesus entspricht. Nur
dass ich da noch manchmal stolpere.
Und so wird aus der Selbstverständlichkeit der Wunsch: Mögen wir
hineinwachsen in das Kleid, das wir mit Jesus bei der Taufe angezogen
haben. Mögen wir immer mehr so leben und handeln, wie es diesem Kleid
entspricht, dass wir uns also dem Kleid auch angemessen verhalten.
Gott macht in seiner Liebe zu uns keine Unterschiede. Da sollten wir es
auch nicht tun. Denn im Glauben an Jesus Christus tragen wir alle das
gleiche Kleid.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.