Andacht 22.01.2023

21. Januar 2023 | Andachten

Predigt vom 22.01.2023
Lied zur Predigt: Such, wer da will, ein ander Ziel

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Predigt zu Röm 1,13-17
3. Sonntag nach Epiphanias, 22.01.2023 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

(1) vor einigen Wochen, zu Beginn des neuen Jahres, las ich im Nordkurier die Wochenend-Kolumne. Die Überschrift „Warum ich Heide mich um die Kirchenaustritte sorge“ hatte mich neugierig gemacht. 

In dem Text von Thomas Beigang, einem bekennenden Heiden, hieß es dann: „So gesehen könnte es mir piepegal sein, dass Zehntausende Menschen jetzt aus der Kirche austreten, Katholiken und Protestanten gleichermaßen. Große Distanz zum Glauben, lautet eine Begründung. Mich lässt das aber nicht gleichgültig, und schuld daran sind der katholische Pfarrer Felix Evers und der deutsche Ober-Linke Gregor Gysi. Den hatte der Priester einst in seine Kirche eingeladen und der Atheist verkündete dort, sich vor einer gottlosen Gesellschaft zu fürchten. Linke seien heute viel zu schwach, um moralische Werte zu entwickeln und populär zu machen Der Kapitalismus, begründet auf Konkurrenz, könne dies schon vom Grundsatz nicht. „Wenn wir also die Kirchen nicht hätten, gebe es keine allgemeinen moralischen Werte mehr“, verkündete Gysi und zählte auf: Nächstenliebe und Bergpredigt.“ (NK 07.01.23?) Soweit der Kommentar von Thomas Beigang. 

Ich fand es spannend, dass ein bekennender Heide in der Kirche eine moralische Instanz sieht, die wichtig für die Gesellschaft und ihre ethische Bildung ist. Und dass trotz manch berechtigter Kritik an den Kirchen. Mit unserer Rede von der Nächstenliebe und mit der Bergpredigt unterm Arm legen die Kirchen einen Grundstein für das Miteinander in einer Gesellschaft. Dass das auch von Atheisten anerkannt, ja sogar geschätzt wird, hat mich positiv überrascht. Zeigt es doch, dass wir Kirchen etwas zu bieten haben. Und das, obwohl Menschen aus der Kirche austreten. Gleichzeitig stellt sich mit dem Blick auf den heutigen Predigttext die Frage, wo die Kraftquelle liegt, von der der Kommentator im Nordkurier etwas gespürt hat. 2 

(2) Von dieser Kraftquelle schreibt nun Paulus. Als Paulus lebte, war der Glauben an Jesus Christus auch etwas Exotisches und keineswegs die Mehrheitsmeinung. Eine noch junge Religionsgemeinschaft, die sich erst langsam etablierte und im römischen Reich ausbreitete. Und Paulus hatte daran Anteil. Er gründete einige Gemeinden selbst. Aber vor allem reiste er viel und besuchte die Christen an allen Orten. Er missionierte unter den Juden, denn er war ja selbst einer, wie auch unter den Heiden. Der Predigttext für heute ist sozusagen seine theologische Visitenkarte. Im ersten Kapitel des Römerbriefes scheibt Paulus folgende Verse: 

„13Ich will euch eines nicht verschweigen, Brüder und Schwestern: Ich habe mir schon oft vorgenommen, zu euch zu kommen. Aber bis jetzt wurde ich immer daran gehindert. Denn ich wollte, dass meine Arbeit auch bei euch Frucht trägt wie bei den anderen Völkern. 14Das bin ich allen schuldig – ganz gleich, ob sie Griechen sind oder nicht, gebildet oder ungebildet. 15Wenn es nach mir geht – ich bin bereit, auch bei euch in Rom die Gute Nachricht zu verkünden. 16Denn ich schäme mich nicht für die Gute Nachricht. Sie ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt – an erster Stelle die Juden, dann auch die Griechen.17Denn durch die Gute Nachrichtwird Gottes Gerechtigkeit offenbar. Das geschieht aufgrund des Glaubens und führt zum Glauben. So steht es schon in der Heiligen Schrift: »Aufgrund des Glaubens wird der Gerechte das Leben erlangen.«“ (Röm 1,13-17; BB) 

Paulus berichtet hier zunächst von seinen Reiseplänen. Er möchte nach Rom reisen. Oder besser gesagt: Er hat schon oft geplant, nach Rom zu reisen, nur hat es bisher nie geklappt. Warum, das bleibt im Dunkeln. Vielleicht herrschte Ebbe in der Reisekasse. Oder es fand sich kein Begleiter. Oder die Reisewege erschienen ihm nicht sicher genug. Jedenfalls musste er die Reise nach Rom immer wieder aufschieben. Als er jetzt den Brief an die römische Gemeinde schreibt, sitzt er vermutlich in Korinth, in Griechenland. Nun hat er die feste Absicht, sich auf den Weg zu machen. Denn die Christen in Rom kennt er nicht persönlich. Er hat nur von ihnen gehört, sie haben einen guten Ruf in der Christenwelt. Und so sehnt er sich regelrecht danach, zu ihnen zu reisen. Bis zu ihnen und noch weiter. Denn in seinen Reiseplänen ist Rom nur eine Station auf seinem Weg ans andere Ende des römischen Reiches. Sein Ziel ist Spanien. Dort möchte und will er Gottes Botschaft verbreiten. Er kann gar nicht anders. Es ist ihm ein inneres Anliegen. 3 

Wie fromm und edel dieser Wunsch auch ist – Gottes Pläne für ihn sehen anders aus. Der Gekreuzigte durchkreuzt seinen Plan. Schon wieder muss Paulus seine Reiseroute umstellen. Warum? Ich weiß es nicht. Gott hat seinen eigenen Plan mit Paulus. Vielleicht hat Paulus sich darüber geärgert, vielleicht hat er sich auch demütig Gottes Plan unterworfen. Doch die Sehnsucht nach dem Westen des Reiches lebt in ihm weiter. 

Im Moment bleibt ihm nur, den Christen in Rom seine Visitenkarte zu schicken und sie für sein Vorhaben zu begeistern. 

(3) Doch als Paulus den Römerbrief schreibt, blickt er noch bis Rom und weit über Rom hinaus. Denn er sieht sich selbst als Schuldner. Es ist schon etwas eigenartig: Er hat sich nichts geborgt, hat keinen Kredit aufgenommen, und doch muss er etwas geben. Er hat von Gott das Evangelium bekommen. Und erst dadurch ist er in seinen Augen den Völkern etwas schuldig geworden: eben nicht diese gute Nachricht für sich allein zu behalten, sondern unbedingt weiterzugeben. Mission wird dann zu einer Herzensangelegenheit. Wenn man zeigt, was man liebt. Wobei bei Paulus nicht nur ein „kann“ oder „darf“ steht, sondern ein „muss“. Er hat gar keine andere Wahl, als Gottes Wort weiterzugeben. Er würde an den Heiden schuldig werden, wenn er ihnen nicht die Möglichkeit der Umkehr zu Gott aufzeigen würde. Wenn sie, wegen seiner Nachlässigkeit, nicht von Gott gerettet werden würden. 

Sein Gefühl, den Völkern etwas zu schulden, ist der Motor seiner Mission. Die Kraft dafür findet er in Gottes guter Nachricht. Er muss sie weitersagen, den Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen – also allen Menschen. Die ethnische Herkunft, das soziale Milieu oder der Bildungsgrad: Nichts davon spielt für das Evangelium eine Rolle. Das Evangelium stellt die Verhältnisse der Gesellschaft auf den Kopf. Die gute Nachricht Gottes durchbricht die Grenzen zwischen Juden und Heiden, zwischen Menschen in der Ukraine und in Russland, zwischen uns hier drinnen in der Kirche und denen, die im übertragenen Sinne draußen vor der Tür stehen. Das Reich Gottes steht allen Menschen offen. Jesus Christus lädt ein. Und nun fühlt sich Paulus in der Pflicht, diese Einladung unbedingt weiterzusagen an diejenigen, die sie noch nicht gehört haben. 

(4) Kommen wir noch einmal auf die Kolumne aus dem Nordkurier zurück. Thomas Beigang macht sich Sorgen wegen der Kirchenaustritte. Er befürchtet, dass die Gesellschaft damit eine wichtige moralische Instanz einbüßen würde. 4 

Und er hat damit völlig recht. Doch die Botschaft der Kirche ist ihrem Selbstverständnis nach viel mehr. 

Die Kraft, eine moralische Instanz zu sein, bezieht die Kirche ja aus der Botschaft des Evangeliums. Und das Evangelium hat seine Kraft behalten, über die 2000 Jahre hinweg von Paulus bis zu uns heute. Und es ist mehr als ein moralischer Kompass oder als der Weg der Selbsterlösung. Keine 10 Tipps, die ich befolge, um in den Himmel zu kommen. Sondern es ist die Botschaft von der Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus. Die Botschaft von der Vergebung der Schuld, von der Freiheit und einem neuen Anfang mit Gott. Von Trost und Kraft im Hier und Jetzt. Von einem ewigen Leben in Gottes Herrlichkeit. 

Es ist eine Kraft, die zuerst die Herzen verändert, und dann das Leben hintendrein. Es ist ja nicht unsere menschliche Kraft, sondern Gottes Kraft, die das bewirkt. Evangelium meint nicht nur die Worte, sondern auch die Kraft und Macht Gottes, die in ihnen steckt. Es sind nicht nur tote Buchstaben, sondern eine Begegnung mit dem lebendigen Gott. 

Wenn wir nun Gottes gute Botschaft weitersagen, so wie Paulus, dann trauen wir Gott zu, dadurch auch zu wirken. So, wie er es selbst verheißt: eine Kraft, die selig macht. 

(5) Dann, liebe Gemeinde, kann ein Gespräch über den Glauben auch folgendermaßen aussehen: Da kommt man mit seinem Gegenüber ins Gespräch über den christlichen Glauben. Es stellt sich heraus, dass der andere, im Gegensatz zu uns, kein Christ ist. Und dann ist es an uns, den Mund aufzumachen und zu reden. Da müssen wir uns nicht schämen oder rechtfertigen. Wir geben weiter, was wir von Gott wissen und mit ihm erfahren haben. Dann erzählen wir davon, wieviel Kraft das Beten gibt, wie ein schöner Gottesdienst die Seele aufatmen lässt, wie wertvoll es ist, Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu sein, die füreinander einsteht. Dann erleben wir selbst, dass das Evangelium eine Kraft Gottes ist, die selig und froh macht alle, die sie hören und daran glauben. 

Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

Amen.

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