Eingeladen zum Fest des Lebens – Predigt zu Lk 14,15-24, 2. Sonntag nach Trinitatis, 18.06.2023
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
(1) (Stell dir vor, du lädst ein, und keiner kommt.)
Die Einladungskarten sind verschickt. Viele haben schon ihr Kommen angekündigt. Würden sich drauf freuen, sagten sie.
Nun ist alles fertig vorbereitet. Es wurde noch einmal geputzt und gewienert. Die gute Stube wurde umgeräumt, um noch mehr Tische und Stühle darin platzieren zu können. Für jeden Gast steht jetzt ein Stuhl bereit. Der Raum ist hübsch dekoriert, alles in passenden Farben. Auf der Tafel funkelt das polierte Silber auf den blütenweißen Tischdecken, dazwischen Kerzen und Blumengestecke.
Selbstverständlich wurden genügend Getränke eingekauft, für jeden Geschmack etwas. Es soll keiner dursten. Und aus der Küche duftet es seit gestern verführerisch nach frischem Kuchen und Braten. Nun ist alles fertig vorbereitet. Der Zeiger an der Wanduhr tickt unerbittlich vorwärts. Gleich müssten die ersten Gäste kommen.
Doch statt der Türklingel macht nur das Handy „bling“: „Sorry, schaff es nicht, muss bis übermorgen meine Hausarbeit abgeben und gerade läuft es so gut. Feiert schön!“
Und wieder: „bling“: „Meine große Liebe ist da – der Maserati ist beim Händler eingetroffen. Da muss ich jetzt unbedingt hin. Tschuldige.“
Immer wieder macht es „bling“ am Handy. „Kann nicht kommen, meine Katze ist krank. Ich melde mich.“ – „Auweia, hab das Datum verpennt und bin jetzt zum Shoppen verabredet.“ – Oder ein Foto vom Pazifikstrand mit der Nachricht: „Ist super hier!“
Am Ende kommt keiner. Und am Gastgeber nagt die Frage: Ist er seinen „Freunden“ so wenig wert, dass sich keiner Zeit für ihn nimmt? Irgendwie kann er jeden einzelnen Grund nachvollziehen. Trotzdem, die Enttäuschung wächst. Die Vorfreude zerbröselt zu Staub. Was wird jetzt mit den leeren Plätzen und dem vielen Essen? Was jetzt?
(2) (Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.)
Stell dir vor, du lädst ein, und keiner kommt. Es gibt eine Geschichte in der Bibel, die genau davon berichtet. Jesus erzählt sie im Lukasevangelium, Kapitel 14:
„16Jesus aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! 18Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. 21Und der Knecht kam zurück und sagte das
seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. 22Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.“ (Lk 14,16-24)
Der Gastgeber scheint ein reicher Mann zu sein. Er hat einen oder gar mehrere Knechte und Diener. Er kann es sich leisten, für seine Freunde ein Festmahl zu geben. Auch seine Freunde sind ziemlich reich. Die kaufen einfach ein Feld oder 10 Ochsen, ohne sie sich vorher angeschaut zu haben. Sie haben es nicht nötig, sich vor dem Kauf von der Qualität der Ware und ihrem Wert zu überzeugen. Und der Dritte, der muss vermutlich auch erstmal seine neue Frau besehen.
Dass der Gastgeber seine Gäste zweimal einlädt, gehört im Alten Orient zu den Regeln der Gastfreundschaft. Man folgt erst einer Einladung, wenn man zweimal gerufen wird. Und auch später, als der Gastgeber die Zaungäste wörtlich „nötigt hereinzukommen“, entspricht das altorientalischer Gepflogenheiten. Der, der überraschend eingeladen wird, zögert und wagt es nicht, der Einladung zu folgen. Daher nimmt ihn der Gastgeber am Arm und zieht ihn mehr oder weniger hinein in sein Haus und zum Festmahl.
(3) (Stell dir vor, Gott lädt ein…)
Jesus erzählt dieses Gleichnis als Antwort auf eine Bemerkung seines Tischnachbarn. Der sagte: „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“ (Lk 14,15)
Das Festmahl, von dem Jesu spricht, ist das Festmahl, das Gott im Himmel vorbereitet hat. Und Jesus lädt dazu ein.
Wie wird dieses Festmahl im Himmel aussehen? Mit Sicherheit wird für alle genug da sein. Wir werden definitiv nichts vermissen. Und jeder ist eingeladen. Nicht nur die Spaßvögel und diejenigen, die auf jeder Party für Stimmung sorgen. Sondern auch solche, die traurig sind und beschwert. Gottes Fest hat andere Voraussetzungen. Er feiert auch mit denen, denen nicht zum Feiern zumute ist oder nicht mehr. Seine Gegenwart beglückt uns, da er uns ohne jede Voraussetzung liebt. Dafür steht sein Fest. Ein Fest ohne jede Vorbedingung, ohne dass wir dafür etwas bringen, zahlen, leisten müssen. Nicht einmal ein Anstandsgastgeschenk müssen wir mitbringen. Wir dürfen zu ihm kommen. An seiner Festtafel ist Platz für jeden. In Jesus Christus hat Gott jeden einzelnen eingeladen.
Die Einladung dazu flattert schon im Hier und Jetzt in unseren Briefkasten. Wir hören von Gottes Einladung und von Jesus Christus in unserem irdischen Leben. Und so, wie es bei einer Einladung üblich ist, sollte man bis zu einem bestimmten Datum verbindlich zugesagt haben. Daher ist es an uns, uns schon im Diesseits zu entscheiden, ob wir der Einladung nachkommen wollen oder nicht.
Klar, Einladungen stören den Alltag. Das haben wir gehört. Stört Gottes Einladung auch unser Leben? Oder anders gefragt: Lassen wir uns von Gottes Einladung in unserem Alltag stören? Denn wie schnell sind wir mit unserer eigenen Welt beschäftigt, bringen fadenscheinige
Entschuldigungen vor und denken: „Nächste Woche reicht immer noch.“
Ich weiß nicht, ob Sie schon oft Gottes Einladung gehört haben. Vielleicht sitzen Sie ja im Geiste schon an seiner Festtafel. Vielleicht wissen Sie aber auch nicht, ob Gott wirklich Sie meint, ob er es ernst meinte, als er Sie einlud.
Doch Gott lädt ein – Sie und mich, und auch die Menschen, die wir selten oder nie in unserer Kirche begrüßen dürfen.
Heute morgen seid Ihr, sind Sie jedenfalls der Einladung schon mal gefolgt. Und das ist toll.
(4) (… und keiner kommt?)
Doch wenn ich mich hier in der Kirche so umschaue, dann ist noch richtig viel Platz. Okay, Gott lädt auch zum himmlischen Festmahl ein. Das ist nicht das gleiche wie unser Sonntagsgottesdienst. Doch es hat Auswirkungen auf unser Leben, wenn wir Gottes Einladung schon hier im Diesseits annehmen. Dann sind wir Teil der geladenen Gäste, die sich auch schon auf Erden zusammenfinden. Ob das nun hier oder in einer anderen Gemeinde, Sonntag vormittag oder unter der Woche ist, spielt in erster Linie keine Rolle.
Wir als Kirchengemeinde versuchen immer wieder, Gottes Einladung weiterzugeben. Andere davon zu überzeugen, dass wir einfach das Beste an Seelennahrung zu bieten haben. Wir bemühen uns um niedrigschwellige Angebote oder musikalische Veranstaltungen oder einen anderen Gottesdienst, der gerade auch für Menschen gedacht ist, die sonst kaum einen Gottesdienst besuchen würden. Wir laden ein – und merken, wie gering oft die Resonanz ist. Traurigkeit, Frust über vergebliche Vorbereitungen und Enttäuschung halten Einzug. Doch was machen wir daraus?
Der Gastgeber im Gleichnis entwickelt aus seiner Trauer einen gewissen Zorn. Und in dem Zorn versteckt sich ein Kraftpotenzial und Energie und Trotz: Das Fest wird gefeiert. Nur eben mit anderen Gästen, die sonst wohl nie auf seiner Gästeliste gelandet wären.
Für mich persönlich und auch für uns als Gemeinde sehe ich darin zwei Dinge: Einmal, dass wir trotzig und fröhlich miteinander Gottesdienst feiern oder andere Veranstaltungen begehen mit denen, die der Einladung gefolgt sind – auch wenn es nur wenige sind. Das Gleichnis von Jesus ist ja ein konstruiertes Gleichnis. Denn dass von den geladenen Gästen absolut niemand kommt, ist eher ungewöhnlich. Und zum anderen wünsche ich mir, dass wir weiterhin mit offenen Augen und Mut Menschen einladen, die nicht so leicht eine Kirchenschwelle überschreiten würden.
Ich weiß, einige von Ihnen laden andere ein – und welch ein Glück, wenn sich jemand einladen lässt und tatsächlich mitkommt! Ich denke da mit Freuden an den Weltgebetstag der Frauen zurück. Der Saal im Gemeindehaus der katholischen Kirche war voll.
Denn stell dir vor, Gott lädt ein, und das Haus wird voll – welch ein Fest!
(5) (Ich komme!)
Gerade will er anfangen, die unbenutzten Teller, die guten, mit Goldrand, wieder zusammenzustellen und in die Küche zu tragen. Mittlerweile haben tatsächlich alle abgesagt. Da „blingt“ das Handy wieder. „Bin ich zu spät? Bin schon auf dem Weg!“ Ein Bekannter, den er vor vielen Wochen nur flüchtig eingeladen hatte: „Wenn Du willst, kannst Du ja
kommen….“ Der andere hatte nichts weiter dazu gesagt, vielleicht wollte er auch nicht kommen. Doch jetzt wird er gleich vor der Tür stehen.
Und noch einmal macht das Handy „bling“. Der Nachbar fragt: „Du gibst ein Fest? Ich komme rüber.“
Mit einem Lächeln stellt der Gastgeber die guten Teller wieder auf den Tisch, zwischen Gabel und Messer. Alles bereit. Für alles ist gesorgt. Seine Festtafel ist prächtig gedeckt. Er wird Gäste haben. Und vielleicht noch den ein oder anderen mehr. Denn es ist immer noch Platz.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.