Jeden Tag Geburtstag!
Predigt zu Mk 10,13-16, zum Taufgottesdienst am 16.03.2025
Mk 10,13-16:
Einige Leute brachten Kinder zu Jesus. Sie wollten, dass er ihnen die Hände
auflegte. Aber die Jünger wiesen sie schroff zurück.
Als Jesus das merkte, wurde er zornig und sagte zu ihnen:
»Lasst doch die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! Denn für
Menschen wie sie ist das Reich Gottes da. Amen, das sage ich euch:
Wer sich das Reich Gottes nicht wie ein Kind schenken lässt, wird nie
hineinkommen.«
Dann nahm er die Kinder in die Arme, legte ihnen die Hände auf und
segnete sie.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn
Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
(1) jeden Tag Geburtstag – damit hätten Kinder vermutlich kein Problem.
(Wir Erwachsene vielleicht schon eher, denn irgendwann ist man ja 18, und
da kann man endlich Auto fahren und das reicht ja.) Aber Kinder fänden das
sicher eine tolle Sache: jeden Tag im Mittelpunkt stehen, mit Kuchen am
Bett und einem Lied geweckt werden. Dann gibt es das Mittagessen, was
sie sich wünschen. Und in der Schule ausnahmsweise mal keine
Hausaufgaben. Doch vor allem gibt es Geschenke. Da stecken
Überraschungen und Freude drin. Das ist wahrscheinlich das Beste an so
einem Geburtstag.
Kinder können das alles richtig genießen, von vorne bis hinten, von der
ersten bis zur letzten Minute.
Jeden Tag Geburtstag feiern – für Kinder eine klasse Sache.
(2) Szenenwechsel: „Was ist ein Geburtstag?“ fragt der kleine Elijah. „Das
kennen wir hier in Israel zur Zeit von Jesus gar nicht. Und Geschenke gibt es
für uns auch nicht gerade viel, höchstens mal eine extra Feige. Ansonsten
interessiert sich kaum einer für uns Kinder. Das ist aber gar nicht so
1schlecht, da haben wir mehr Zeit zum Spielen. Und bei den Großen zählen
wir gar nicht.
Als Jesus kam, war das anders. Meine Mutter nahm mich an die Hand, wir
gingen auf den Marktplatz. Da war Jesus und erzählte gerade den Leuten
was. Wie die anderen Eltern auch wollte meine Mutter mit mir zu Jesus. Er
sollte uns Kindern seinen Segen geben. Das kannte ich schon, mein Opa
hatte mich auch schon öfter gesegnet. Doch dann kamen die Freunde von
Jesus und wollten uns wieder wegschicken. Aber da kriegten sich die
Erwachsenen erst so richtig in die Wolle. Mann, war mir das peinlich, dass
die sich wegen mir so streiten. Am liebsten wäre ich einfach weggerannt.
Die stritten so laut, dass Jesus herkam. Der hat dann seine Freunde
erstmal zusammengestaucht.
Danach hat Jesus uns Kindern nicht einfach nur die Hände aufgelegt. Er hat
uns vor die ganzen Erwachsenen hingestellt. Hat irgendwas gesagt, sie
sollen so sein wie wir Kinder. Ich hab mir das nicht so genau gemerkt. Und
dann hat er jeden einzelnen von uns umarmt. Erst dachte ich, uuuh,
fremder Mann und so. Aber dann fühlte sich seine Umarmung richtig gut
an. Die Erwachsenen rundherum machten große Augen. Dass Jesus
jemanden umarmt, kam wohl nicht so oft vor.
Ich weiß zwar nicht, was Geburtstag ist. Aber wenn das so ist, wie wenn
sich einmal alles um einen dreht und man ganz wichtig ist für die anderen,
dann war das bei Jesus wohl wie Geburtstag haben.“
(3) Liebe Gemeinde, dass Jesus die Kinder damals in die Mitte stellte, war
etwas Außergewöhnliches. Kindern so eine bedeutende Stellung, gar so
eine Vorbildfunktion einzuräumen, war absolut unüblich.
Wir Erwachsene sollen zu solchen Menschen werden wie die Kinder. Das
meint jetzt nicht, wir sollen Mützen und Radiergummis verbummeln und ein
paar Trotz-Tränchen rausdrücken, wenn etwas nicht so geht, wie wir das
wollen. Eine ganz andere Sache ist Jesus wichtig: die Kunst, sich
beschenken zu lassen. Eine Kunst, die Kinder beherrschen.
Wenn wir ein Geschenk erhalten, rotieren unsere Erwachsenen-Gedanken
oft gleich los. Vor allem geht es um zwei Fragen: 1) „Oh, eine Eintrittskarte
ins Theater! Die war sicher sehr teuer. Was kann ich denn dann beim
nächsten Geburtstag zurückschenken, um das irgendwie wieder gut zu
machen?“ oder die zweite Frage: 2) „Oh, eine Eintrittskarte ins Theater! Das
2ist doch viel zu viel, das wäre doch nicht nötig gewesen. Eine Tafel
Schokolade hätte doch auch gereicht.“
In beiden Fällen fällt es uns schwer, uns beschenken zu lassen. Die
Geschenke einfach so für sich stehen zu lassen, sie zu genießen und sich
darüber ehrlich zu freuen.
Dahinter steht die Furcht: „Ich bin es nicht wert, dass ein anderer mir ein so
tolles Geschenk macht.“ Die Furcht, nicht genug zu sein, nicht genug
geleistet zu haben. Und schon schieben wir innerlich der Freude am
Geschenk einen Riegel vor, als ob es falsch wäre, sich über ein Geschenk
riesig und herzlich zu freuen. Als ob es falsch wäre, es einfach
anzunehmen.
Jesus wusste, dass Kinder das noch viel besser, viel unverfälschter
hinkriegen als wir. Jeden Tag Geburtstag und Geschenke? Kein Problem für
die Lütten.
(4) Nun hält Jesus ein richtig tolles Geschenk für uns alle parat: das Reich
Gottes. Jesus sagt: „Wie die Kinder ein Geschenk annehmen und sich
darüber freuen, so nehmt doch bitte auch das Reich Gottes an.“
Das Reich Gottes ist ein Geschenk, etwas, das Gott gibt, ohne dass wir in
Vorleistung gehen müssen. So, wie eben ein Kind einfach so ein Geschenk
annimmt.
Das Reich Gottes ist nun kein Karton mit einem Schleifchen drum. Es lässt
sich vielmehr vergleichen mit einer großen Familie und Gott ist das
Familienoberhaupt. Er sorgt für alle. Es ist wie ein großes Haus, in dem man
wohnt und in dem man sich wohlfühlt. Sogar mit den Familienmitgliedern
versteht man sich. Und Jesus wohnt mittendrin. Da weht der Heilige Geist
wie eine frische Brise durch die Gemäuer.
Das Reich Gottes ist wie ein Zuhause, eine Hand, die unsere hält.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben einige versucht, dieses
himmlische Reich selbst zu machen oder mit Gewalt aufzurichten. Doch
das läuft nicht.
Dass wir in diesem Reich leben können, ist ein Geschenk von Gott. Wohl
gemerkt: es ist ein Geschenk. Zwar gehört es in unserer Kultur zum guten
Ton, ein Geschenk auch anzunehmen. Aber natürlich muss man das nicht.
Man kann es auch auf dem Dachboden lagern, weil man es gerade nicht
3braucht.
Gott lässt uns auch die Freiheit: Wir können sein Geschenk annehmen –
oder auch nicht.
(5) Liebe Gemeinde, können Sie sich erinnern, wie das war, als sie Kindern
einmal, sagen wir, Gummibärchen ausgeteilt haben? Mal davon
abgesehen, dass die Kleinen mit Rufen und Schreien ihrer Freude Ausdruck
verleihen und mehr fordern – mit ihren Händen formen sie eine große
Schale. Damit möglichst viel reinpasst.
Wenn wir nun wie Kinder das Reich Gottes empfangen, dann stelle ich mir
das genau so vor: Wir stehen vor Jesus mit offenen, leeren Händen, die
darauf warten, gefüllt zu werden.
Meistens fällt es uns ja schwer, irgendwohin mit leeren Händen zu
kommen. Da wird noch schnell um das Marmeladenglas ein Schleifchen
gebunden oder die Pralinenschachtel rausgesucht.
Doch bei Jesus brauchen wir leere Hände, damit er sie füllt. Dazu braucht
es Mut und Ehrlichkeit. Zugeben, dass ich geliebt und beachtet werden will,
dass ich so behandelt werden möchte, als ob ich etwas ganz Besonderes
wäre und jeden Tag Geburtstag hätte. Zugeben, dass weder mein
Ehepartner noch Familie oder Freunde genau das schaffen. Auch meine
Kinder sind nicht dazu da, um diese Sehnsucht nach Akzeptanz und Liebe
zu stillen.
Zu dieser Sehnsucht zu stehen, dazu braucht es Mut und Ehrlichkeit. Meine
Hände sind leer, mein Herz ist leer, und ich warte darauf, dass sie gefüllt
werden.
Jesus Christus sagt: „Streck deine leeren Hände aus wie die Kinder. Ich
fülle sie dir mit meiner Liebe. Dass du zu mir gehörst und bei mir ein
Zuhause findest.“
Das ist noch nicht einmal wie Weihnachten, wo gefragt wird, ob man auch
brav war. Nein, es ist wie Geburtstag. Jesu Geschenk gibt es ohne
Vorleistung, ohne Gegenleistung.
Als Zeichen dafür steht die Kindertaufe. Heute haben wir Anastasia getauft.
In der Taufe hat Gott ihr und auch uns gezeigt, dass seine Liebe so ein
Geschenk ist, das ohne Vorleistung gilt.
Ich wünsche Anastasia und auch jedem von uns, der getauft ist, dass die
4Taufe nicht wie ein unwillkommenes Geschenk auf dem Dachboden
verstaubt. Ich wünsche Anastasia und uns, dass wir dieses Zeichen der
Liebe Gottes in uns wirken lassen, so wie die Kinder sich einfach
beschenken lassen.
Denn in Jesu Augen sind wir wertvoll und etwas Besonderes, so wie wenn
wir jeden Tag Geburtstag hätten.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.