Andacht 12.01.2025

13. Januar 2025 | Andachten

 

Predigt vom 12.01.2025


„Deep river“ – Predigt über Jos 3,5-7.14-17

1. Sonntag nach Epiphanias – 12. Januar 2025 – P. Dr. Michael Giebel

Bibeltext

Das Volk Israel ist vierzig Jahre durch die Wüste gewandert. Nun sind sie kurz vor dem Ziel. Sie bereiten sich darauf vor, durch den Jordan in das von Gott versprochene Land zu ziehen. 

5Dann sagte Josua zum Volk: »Sorgt dafür, dass ihr heilig seid! Denn morgen wird der Herr unter euch Wunder tun.«
6Und zu den Priestern sagte er: »Hebt die Bundeslade hoch und zieht vor dem Volk her!« Da hoben sie die Bundeslade hoch und gingen voraus.

7Der Herr aber sprach zu Josua: »Heute will ich beginnen, dich vor den Augen aller Israeliten groß zu machen. Dann werden sie erkennen, dass ich mit dir bin,wie ich es mit Mose gewesen bin.«

14Inzwischen hatte das Volk seine Zelte abgebrochen und machte sich auf den Weg, den Jordan zu überqueren. Die Priester trugen die Bundeslade vor dem Volk her.15Dann kamen die Träger der Lade an den Jordan. Der Jordan aber war damals über die Ufer getreten, schon während der gesamten Erntezeit. Als nun die Priester ihre Füße ins Wasser setzten, 16floss das Wasser nicht mehr weiter. Es türmte sich auf wie bei einem Damm. Es staute sich weiter oben bei der Stadt Adam, die neben Zaretan liegt. Und wo der Jordan weiter unten ins Tote Meer mündet, hatte es ganz zu fließen aufgehört. Dazwischen, ungefähr auf der Höhe von Jericho, durchzog das Volk den Fluss.

17Die Priester, die die Bundeslade des Herrn trugen, blieben im trockenen Flussbett des Jordan stehen. So kamen alle Israeliten trockenen Fußes hinüber, bis der Durchzug durch den Jordan abgeschlossen war.

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,
a) “Deep River. My home is over Jordan.”, so heißt einer der bekanntesten Gospel. „Tiefer Strom. Meine Heimat liegt jenseits des Jordans.“, so könnte man den Titel übersetzen. Das Lied nimmt auf die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste ins gelobte Land Bezug. Es spiegelt damit auch die Flucht vieler Sklaven aus den Südstaaten Nordamerikas hoch in den Norden, wo es bereits keine Sklaven mehr gab. Der Gospel ist ein Spiegel der Sehnsucht nach Freiheit und der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch manche der großen Flüsse Nordamerikas, wie z.B. der Mississippi, versperrten den Flüchtlingen den Weg. Und so lebt in dem Lied die Hoffnung auf ein anderes Leben jenseits des Jordan. 

b) Sie merken es: Der Jordan ist hier vielmehr als ein Fluss, den man auf einer Landkarte lokalisieren kann. Das kann man natürlich. Er speist sich aus mehreren Gebirgsbächen und fließt durch den See Genezareth, weiter durch den Jordangrabenhinein ins Tote Meer. Der Jordan ist zum Teil auch der Grenzfluss zwischen Israel und Jordanien. Um sein Wasser wird gestritten. Und er hat eine lange bewegte Geschichte. Man könnte also historisch oder politisch über den Jordan nachdenken. Ich will das heute Morgen jedoch nicht tun. Auch unseren Predigttext mit Josua und dem Durchzug der Israeliten ins Heilige Land möchte ich heute nicht historisch bedenken oder in seiner politischen Brisanz für die Gegenwart. 

Ich möchte mit Ihnen anders über den Jordan nachdenken. Der Jordan ist eben mehr als ein Fluss, den man auf einer Landkarte finden kann. Mit ihm verbinden sich Sehnsüchte und Hoffnungen, Grenzerfahrungen, Erlebnisse der Befreiung und Rettung, aber auch Abschiede und neue Anfänge. Er ist ein symbolischer Ort. Und davon erzählt dieses Lied „Deep river“.

c) Das Lied nimmt dabei die Erzählung von Josua und dem Durchzug durch den Jordan auf. Josua war der Nachfolger von Mose. Sein Name ist dabei Programm: Gott hilft, Gott rettet. Und das erlebt das Volk unter der Führung Josuas. Der Durchzug durch den Jordan ist für Josua die Bewährungsprobe. Aber Gott hilft ihm und stellt sich an seine Seite. Er bestätigt Josua durch ein Wunder vor dem Volk. Trockenen und sicheren Fußes kann das Volk durch den Jordan ziehen und in das verheißene Land kommen. 

Und noch etwas wird dabei deutlich. Josua war ein fähiger Mann. Ein starker Anführer. Aber das Entscheidende tut Gott. Die Bundeslade geht vor dem Volk voran. Sie steht hier für die Gegenwart Gottes in seinem Volk. Vor der Bundeslade weicht das Wasser zurück. Und so ermöglicht nicht Josuas Taktik oder sein strategisches Können den Neuanfang. Die Rettung und der Neuanfang gehen allein von Gott aus. Josua ist sein Diener. Das Hindernis wird mit Gottes Hilfe überwunden. Ein neuer Anfang ist gemacht, ein neues Leben beginnt. 

d) Viele Jahrhunderte später treffen sich Johannes und Jesus am Jordan. Johannes predigt die Taufe als Zeichen der Umkehr zu Gott. Mitten im Jordan taucht er Menschen unter und hebt sie wieder heraus. Auch Jesus bittet um die Taufe. Johannes weigert sich zunächst, weil er in Jesus den Größeren erkennt, der keine Umkehr zu Gott braucht. Doch Jesus besteht darauf. Er bekennt sich damit zu Gott, dem Vater im Himmel. Diesmal weicht das Wasser nicht zurück. Es öffnet sich vielmehr der Himmel. Und Gott bestätigt Jesus als seinen geliebten Sohn und erfüllt ihn mit seinem Geist. Wieder ist es der Jordan, an dem etwas neues beginnt. Wieder schafft Gott Rettung und hilft. Der Name von Jesus ist dabei wieder Programm. Jesus ist die griechische Form des hebräischen Namens Jehoschua, zu Deutsch Josua: Gott hilft, Gott rettet. 

Die christliche Gemeinde übernimmt die Taufe als Ritual. Sie wird zum Zeichen der Zugehörigkeit zu Gott. Wer getauft wird, der ist im symbolischen Sinn mit Josua durch den Jordan gezogen. Und er ist in einem gewissen Sinn mit Jesus im Jordan untergetaucht und wieder herausgezogen worden. Gott bestätigt ihm: Du gehörst zu mir. Ich bin an deiner Seite. Es ist Gott, der hier handelt. Keiner kann sich darum selbst taufen. Keiner kann sich selbst retten. Es ist Gott, der uns rettet. Israel hat er damals durch Josua geholfen, und uns, die wir getauft sind, durch Jesus. Mit jeder Taufe beginnt darum etwas Neues, so wie damals am Jordan. Die Taufe ist darum das Sakrament am Anfang des Christseins.

e) Wo liegt heute der Jordan? Nicht im geographischen Sinn. Das ist ja klar. Ich meine vielmehr: Wo liegt der Jordan im symbolischen Sinn?

Denn einerseits ist er ein Hindernis, das sich querlegt. Andererseits wird er zum Ort der Befreiung und Rettung. 

Die eine Seite kennen viele Menschen ganz gut. Dinge, die sich querlegen, gibt es zuhauf. Doch wie ist es mit der anderen Seite? Wo erleben Menschen heute Gottes Hilfe und Gottes Rettung? Wie machen Menschen heute Erfahrungen mit Gott? 

Diese Frage kann man wohl nicht pauschal beantworten. Menschen machen sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie Gott ihnen durch „ihren“ Jordan geholfen hat. Für die eine sind es die Gebete, die Gott erhört hat. Für einen anderen ist es eine neue Arbeitsstelle, für den nächsten die bestandene Prüfung. So gibt es viele persönliche Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen. 

Darüber hinaus werden wir heute an die Taufe erinnert. Ich wurde als Kind getauft. Ich habe keine persönliche Erinnerung an die Taufe. Aber ich habe gelernt, was sie bedeutet. Darum ist mir meine Taufe wichtig. Andere haben sich als Jugendliche oder Erwachsene bewusst für ihre Taufe entschieden. Ihrer Taufe ging eine Zeit der Auseinandersetzung mit Gott voraus. Und dadurch wurde die Taufe auch zu einem besonderen Moment der persönlichen Erfahrung mit Gott. 

Das Wasser der Taufe markiert den Neuanfang. Es ist dabei wie bei Josua und bei Jesus. Gott handelt von außen an uns. Darum kann ein Mensch sich nicht selbst taufen. Er wird getauft und ihm wird das Wort der Verheißung von außen zugesprochen. 

Wir brauchen die persönlichen und auch emotionalen Erfahrungen mit Gott. Doch sie reichen nicht aus. Wir brauchen auch die Taufe als Ort der Gewissheit, dass Gott da ist. Gerade dann, wenn unsere Gefühle durcheinander gehen und wir uns nicht auf sie verlassen können. Dann brauchen wir die Erinnerung an unsere Taufe. Wir müssen es immer wieder hören, dass uns jemand sagt: Du bist getauft. Du bist ein Kind Gottes. Deine Heimat ist bei Gott. 

f) Deep river. My home is over Jordan. Das Lied führt uns dabei noch einen Schritt weiter. In diesem Lied drückten die Sklaven Nordamerikas nicht nur ihre Hoffnung auf ein besseres Leben in Freiheit aus. In diesem Lied spiegelt sich vor allem auch ihr Glaube. Und dazu gehört die Sehnsucht nach einer Heimat, die nicht nur jenseits des Mississippi, sondern jenseits der Grenze des Todes liegt. Denn sie alle wussten, dass keiner eine Garantie für ein besseres Leben hat, so sehr er es verdient hätte und sich darum bemüht. 

Deep river
My home is over Jordan
Lord I want to cross over into campground
Oh don’t you want to go to that gospel feast
That promised land where all is peace.

Tiefer Strom.
Meine Heimat ist jenseits des Jordans.
Mein Gott, ich möchte hinüber in diese Geborgenheit. Wollt ihr nicht auch mitgehen zu dem verheißenen Festmahl in das gelobte Land, dorthin, wo immer Friede ist?

In diesen Worten drückt sich die Sehnsucht nach Gottes Ewigkeit aus. Wer getauft ist, dessen Heimat ist bei Gott. Hier sind wir nur Gäste. Wenn es uns gut geht, danken wir Gott. Wenn das Leben uns zu schaffen macht, halten wir diese Sehnsucht fest, nach dem Land, wo überall Frieden ist, nach Gott, der uns sicher auf die andere Seite führt. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

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