Andacht 04.06.2023

06. Juni 2023 | Andachten

Predigt vom 04.06.2023
Lied zur Predigt: Großer Gott wir loben dich

 

Der Große und die Kleinen 

Predigt über Jes 6,1-8 zum Sonntag Trinitatis, 04.06.2023

Bibeltext

1In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. 2Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. 3Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! 4Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. 5Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. 6Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, 7und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. 8Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,
(1) der Prophet Jesaja erlebte Gott auf eine besonders beeindruckende Weise. Lebhaft, wie in einem Kinofilm inszeniert, kann ich der Schilderung folgen. Die Szene ist beeindruckend, aber auch verstörend und beängstigend. 
Es beginnt schon damit, dass da keine kleinen pausbäckigen Engelchen um Gottes Thron flattern, wie manche Künstler sich das vorstellen. Die Bibel spricht von Serafim, Schlangenwesen mit drei Flügelpaaren. Von ihnen sieht Jesaja weder Gesicht noch Füße, dafür hört er sie um so lauter. Ihr Gesang ist so kraftvoll und geht durch Mark und Bein, dass die Grundfesten des Tempelgebäudes erzittern. 

Von Gott sieht Jesaja noch viel weniger: nur den Saum des Gewandes. Und der füllt den gesamten Tempel aus. Und als dann noch Rauch dazu kommt und die Sicht versperrt, kann man sich gut vorstellen, wie die gesamte Atmosphäre so gewaltig und bedrückend ist, dass dem Jesaja schier die Luft zum Atmen wegbleibt. Denn alles um ihn herum ist von Gottes Macht durchdrungen, nichts hat daneben mehr Platz. Gerade so, dass sich Jesaja in eine Ecke quetschen kann, die Hände vor’s Gesicht geschlagen. In Gottes Gegenwart fühlt er sich nicht nur ganz klein, sondern er ist es tatsächlich. 

(2) Liebe Gemeinde, ich vermute, nur die wenigsten machen eine solcheGotteserfahrung wie Jesaja. Und es ist schwer, eigene Erfahrungen damit in Verbindung zu bringen. Es sind wohl am ehesten Erfahrungen in denen man sich einer größeren Kraft völlig ausgeliefert erfährt. 
Vielleicht ist es ein bisschen so, wie wenn man in einer sternenklaren Nacht die Milchstraße am Firmament bestaunt. Oder wenn ich mir überlege, wie lange ich brauchen würde, wöllte ich durch den Atlantik nach Amerika schwimmen. Dann wird mir angesichts dieser Weite ganz schwindlig. 
Allerdings denke ich dann auch an Begegnungen und Erlebnisse, bei denen ich mich nicht in einem wohltuenden Sinn klein und unbedeutend fühle. Zum Beispiel, wenn der Chef auf Arbeit einen zusammenfaltet und klar macht, wer hier das Sagen hat. Oder wenn der Lehrer in der mündlichen Prüfung einen richtig auflaufen lässt. 
Aber auch Naturgewalten wie Sturmfluten oder Vulkanausbrüche bedrohen in ihrer Gewalt und Unaufhaltsamkeit unsere menschliche Existenz. Auch angesichts der Dinge, die Kraft und Macht zur Zerstörung in sich tragen, fühlen wir Menschen uns klein und ohnmächtig und völlig ausgeliefert. 

Die Begegnung, die Jesaja mit Gott hat, ist nicht nur auf eine positive Art beeindruckend, sondern auch mächtig und bedrohlich. 

(3) Und so erschrickt Jesaja auch mächtig gewaltig. Doch all diese Vergleiche greifen noch zu kurz. Es geht um noch viel mehr. Der große Gott zeigt sich in seiner ganzen Herrlichkeit, und Jesaja wird sich des unendlichen Abstands zu Gott bewusst. Jesaja erlebt Gott in seiner Heiligkeit, sich selbst dagegen empfindet er als unheilig. Beides passt nicht zusammen, das Unheilige hat keinen Platz im heiligen Raum. 
So wie Wasser im Feuer verdampft, so verzehrt die Heiligkeit die Unheiligkeit. Und darum erschrickt Jesaja und ruft: „Weh mir, ich vergehe.“

Wir haben heute oft das Gespür für Heiligkeit verloren. Vielleicht kann uns folgendes Beispiel ein wenig helfen, etwas davon zu verstehen. 
Das ist so ein bißchen wie mit dem Händewaschen. Kleine Kinder schickt man noch vor jeder Mahlzeit ins Bad, sich die Hände zu waschen. Das macht auch Sinn, wenn die kleinen Patschehändchen mit Modder beschmiert sind oder vor lauter Eiscreme-Resten kleben. Da sieht man dann auch den Unterschied zwischen vor dem Waschen und nach dem Waschen – hoffentlich, und wenn nicht, geht es eine zweite Runde ins Bad.
Bei den Erwachsenen ist das etwas komplizierter. Meistens sehen unsere Hände sauber aus, man sieht ihnen den Dreck nicht an. Und trotzdem gehen auch wir brav Händewaschen, bevor wir uns an den Esstisch setzen. Gehört sich halt so. Und ist ja auch gesünder. 

Wie mit dem Händewaschen, so ist das auch mit der Heiligkeit. Unsere Unheiligkeit sieht man uns in der Regel nicht unbedingt an. Und auch der Prophet Jesaja führte wohl ein gutbürgerliches Leben, mit Frau und zwei Kindern. Im Alltag wird uns unsere Unheiligkeit nicht immer so bewusst. Oft merken wir zum Beispiel noch nicht einmal, wenn wir schlecht über einen anderen reden, ohne ihn wirklich zu kennen. Oder wenn wir meinen, im Recht zu sein, ohne auf die Sicht der Gegenseite zu hören. Oder wenn wir Gott in seiner Größe und Heiligkeit nicht anerkennen, wenn wir stattdessen von uns selbst denken, Herr über unser Leben zu sein. Wie gesagt, oft ist uns das noch nicht einmal bewusst, wie unheilig wir uns verhalten. 

Dem Propheten Jesaja wird das erst klar, als er Gott in all seiner Größe und Herrlichkeit begegnet. Erst in der Begegnung mit dem Heiligen Gott wird uns bewusst, wie unwürdig und gar nicht heilig wir eigentlich sind. 

(4) Doch dabei bleibt es nicht stehen. Gott wendet das Erlebnis ins Positive. Jesaja erschrickt – doch Gott wendet sich ihm zu. Wir erkennen unsere Unheiligkeit – und Gott streckt uns dennoch seine Arme entgegen. Wir werden schuldig – und Gott vergibt uns. 

In dem Bibeltext wird das sehr schön anschaulich: Da werden Jesajas Lippen mit glühenden Kohlen vom Altar gereinigt. Das ist ein Zeichen, dass Gott ihm vergibt. 

Uns hat Gott andere Zeichen gegeben, in denen uns seine Vergebungzugesprochen wird. Bei der Taufe waschen wir die Sünde und Schuld mit dem Wasser der Taufe ab. Zum Glück, das tut nicht ganz so weh wie glühende Kohlen.

Und ansonsten wird uns im Gottesdienst meist beim Abendmahl Gottes Vergebung zugesprochen. Oder auch in einer Beichte ist dies möglich. 
Und damit ändert sich etwas grundlegendes in der Beziehung zu Gott. Sie nimmt eine positive Wendung.

Bei Jesaja war es so, dass er auf einmal den Mut hatte, Gottes Botschaft an das Volk auszurichten. Auf einmal stand er aufrecht vor dem Saum von Gottes Gewand. Er traute sich die Aufgabe zu, die Gott für ihn hatte. Sein Leben bekam durch Gottes Vergebung eine andere Qualität, einen anderen Sinn. 

Auch in der Taufe verfestigt sich die Beziehung, die ein Mensch zu Gott hat. Er tritt sozusagen ein in Gottes heiligen Raum. Und durch Gottes Vergebung bekommt er seinen Platz in Gottes Familie zugesprochen. Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer bewussten Beziehung zu Gott. 

Gottes Vergebung richtet uns auf, sie stärkt uns. Als kleine Kinder Gottes wissen wir, dass wir dem großen Gott unendlich wichtig sind. Und wie den Jesaja ruft er uns in ein Amt, übergibt er uns Verantwortung, betraut er uns mit einer Aufgabe – weil wir es ihm wert sind und er es uns zutraut. 

(5) Damit bleibt nun nur noch zu sagen: Fortsetzung folgt. 

Bei Jesaja ging es nach dieser Begebenheit im Tempel erst richtig los. Er wurde zu Gottes Prophet in seinem eigenen Volk Israel.

Und bei uns? Lassen wir uns von der Heiligkeit Gottes berühren und verändern. Und mögen wir dann unser Leben in der Gegenwart des großen und heiligen Gottes führen, als seine geliebten Kinder. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 

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